Bundesregierung weiß seit langem von Dschihadisten-Unterstützung durch Erdogan
Das Bundesinnenministerium hat – wenn auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt – zugegeben: unter Erdogan hat sich die Türkei zur zentralen Aktionsplattform für islamistische einschließlich bewaffnet agierender terroristischer Gruppierungen im Nahen Osten entwickelt.
Das Auswärtige Amt, das in die Ausarbeitung der Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN. nach eigenen Angaben nicht eingebunden war, distanzierte sich inzwischen von dieser Einschätzung. Das Ministerium wolle sich diese Aussagen „in dieser Pauschalität“ nicht zu eigen machen, so eine Sprecherin von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
Dieser nur mit diplomatischer Rücksichtnahme auf den Terrorpaten Erdogan erklärbaren Rückzieher des Außenministers erscheint als reines Duckmäusertum. Schließlich handelt es sich bei der Einschätzung, dass die Türkei in den letzten Jahren ein Drehkreuz islamistischer Bewegungen geworden ist, keineswegs um ein Geheimnis. Schließlich rühmt sich der türkische Präsident Erdogan selbst öffentlich seit langem seiner guten Kontakte zu Organisationen aus dem Spektrum der Moslembrüderschaft. Er empfängt Repräsentanten der palästinensischen Hamas und versichert seine Solidarität mit den ägyptischen Moslembrüdern. Zudem ist die Türkei Hauptsitz des von den Moslembrüdern dominierten syrischen Oppositionsbündnisses.
Auch die Bundesregierung weiß seitlangem von der logistischen Unterstützung der AKP-Regierung für terroristische Gruppierungen wie dem Islamischen Staat und der Al Nusra-Front in Syrien. Bereits 2014 erklärte die Bundesregierung in einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Dokument, von dschihadistischen Ausbildungslagern in der Türkei und der Versorgung verwundeter syrischer Dschihadisten in türkischen Krankenhäusern Kenntnis zu haben. Sie wusste zudem, dass Kämpfer solcher Gruppen etwa während der Schlacht um die syrisch-kurdische Stadt Kobani die türkisch-syrische Grenze überqueren konnten.
Dass der türkische Geheimdienst im großen Stil Waffen an dschihadistische Gruppierungen in Syrien geliefert hat, ist ebenfalls seit langem nachgewiesen. Eine solche von aufmerksamen Jandarmen gestoppte Lastwagenladung wurde im vergangenen Jahr von der renommierten türkischen Tageszeitung Cumhuriyet sogar mit Bildaufnahmen dokumentiert. Der damalige Chefredakteur von Cumhuriyet, Can Dündar, und der Leiter des Ankara-Büros der Zeitung, Erdem Gül, wurden deswegen unter dem Vorwurf des „Geheimnisverrats“ im Mai mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Bundesregierung kann dies kaum verborgen geblieben sein.
Die Empörung mancher Regierungspolitiker über den vermeintlichen Geheimnisverrat durch die Weitergabe des als Verschlusssache eingestuften Teils der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken an die Medien ist von daher nicht nachvollziehbar.
Denn der Skandal besteht weder darin, dass das Bundesinnenministerium in seiner Antwort auf die Anfrage offenbar ohne Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt endlich Klartext spricht, noch, dass dieses als Verschlusssache eingestufte Dokument an die Medien gelangte. Der wirkliche Skandal besteht vielmehr darin, dass die Bundesregierung wider besseren Wissens bis heute versucht, die engen Verbindungen der Türkei zu dschihadistischen einschließlich terroristischen Gruppierungen zu verschweigen, um ihre Zusammenarbeit mit dem Erdogan-Regime nicht zu gefährden.
Lange genug hat die Bundesregierung zudem selbst auf islamistische Gruppierungen zum Sturz des syrischen Präsidenten Assad gesetzt und solche vielfach terroristisch agierenden Verbände als „Rebellen“ und „Oppositionelle“ verharmlost. Im Jahr 2012 wurden auch einige Vertreter solcher islamistischer Gruppierungen bei der mit Bundesmitteln finanzierten und als Regierungsberatung dienenden Stiftung SWP in Berlin mit dem Projekt „The Day After“ für eine Regierungsübernahme nach dem erhofften Sturz von Assad trainiert. Und weiterhin gibt es Stimmen in der Bundesregierung, die auf eine Unterstützung der sogenannten „gemäßigten Rebellen“ in Syrien drängen, obwohl es sich dabei um Kopfabschneiderbanden aus der Tradition der Al Qaida handelt.
Ein Staat, der so offen mit dschihadistischen Gruppierungen kooperiert wie die Türkei, kann weder ein Partner bei der Terrorbekämpfung noch in Flüchtlingsfragen sein. Die Sicherheitszusammenarbeit der Bundesregierung mit der Türkei muss sofort eingestellt und der Flüchtlingsdeal aufgekündigt werden.