Burgfrieden und Demokratieabbau: Corona macht´s möglich

Wir erleben Grundrechtseinschränkungen in einem Ausmaß wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Mit Verboten und Geboten greift der Staat massiv in den Alltag der Bürgerinnen und Bürger ein, selbst privateste Bereiche – Besuche bei Angehörigen in Pflegeheimen, Hochzeiten und Beerdigungen – sind betroffen. Geplant wurden diese Entwicklungen nicht, die politisch Verantwortlichen wurden vielmehr vom Virus regelrecht überrumpelt, nachdem sie ihre eigenen Krisenszenarien nicht ernst genommen und das Gesundheitswesen zur Gewinnmaximierung regelrecht ausgeblutet hatten.

Es gibt dreierlei Grund zur Sorge: das Virus, die offensichtliche Ahnungslosigkeit der politischen Entscheidungsträger und den Demokratieabbau. Denn während ansonsten jegliches Überwachungsgesetz von einer wenigstens formalen Abwägung zwischen Sicherheitsbedürfnis und Freiheitsrecht begleitet wird, fehlen solche Diskussionen jetzt nahezu total. Es wird überhaupt nicht mehr diskutiert, sondern nur noch verkündet. Deutsche dürfen das Land nicht mehr verlassen, und Schutzsuchende werden vom Zugang zu einer Asylprüfung so hermetisch ausgeschlossen wie noch nie zuvor. Das Infektionsschutzgesetz entwickelt sich zum Baukasten für den Abbau demokratischer Selbstverständlichkeiten.

Sind alle Maßnahmen, wie vom Gesetz gefordert, wirklich »verhältnismäßig«? Im Moment ist noch nicht einmal die Frage danach zu hören. Die Parlamente, die doch Regierungshandeln kontrollieren sollen, spielen bei den gegenwärtigen Entwicklungen noch nicht einmal eine Statistenrolle. Auch in den führenden Medien findet sich nur eine Mischung aus Krisenberichterstattung und fatalistischer Ergebenheit. Dem Volk sind alle Versammlungen, also auch kritische, sowieso verboten. Es solle sich, heißt es unisono, brav die Hände waschen und ansonsten bitte Abstand halten – auch von jeglicher Einmischung. Das alles ist ein Zeichen dafür, dass die demokratischen Errungenschaften keineswegs auf so robusten Fundamenten ruhen wie erhofft.

Kneipen- und Geschäftsschließungen, angeordnetes Homeoffice, die Verlangsamung der ganzen Gesellschaft – das mögen Maßnahmen sein, die aus gesundheitspolitischer Sicht gegenwärtig notwendig sind. Nur darf eine freie Gesellschaft ihr Schicksal weder in die Hände vermeintlich neutraler Experten legen noch blindes Vertrauen in die Regierung haben, diese werde es schon gut mit ihr meinen.

Denn dass all diese Entwicklungen nicht geplant waren, bedeutet nicht, dass die Herrschenden nicht sehr wohl ihre Lehren daraus ziehen. Im Kampf gegen das Virus sind militärische Vokabeln üblich geworden, faktisch herrscht der »Verteidigungsfall«. So weit entfernt vom »Burgfrieden« 1914 sind wir nicht. Die Herrschenden sehen, dass eine schwere Verunsicherung der Bevölkerung einen weitgehenden gesellschaftlichen Konsens für diktatorische Maßnahmen schafft.