„Die Abschiebebehörden haben jahrelang rechtswidrig die Unverletzlichkeit der Wohnung von Geflüchteten verletzt, indem sie ohne richterliche Ermächtigung in deren Wohnungen eindrangen, um sie abschieben zu können. Damit muss jetzt endlich Schluss sein. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein Grundrecht, das selbstverständlich auch für Geflüchtete gilt“, kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zu Wohnungsdurchsuchungen im Zusammenhang mit Abschiebungen.
Das Gutachten befasst sich mit der durch das zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht („Hau ab II“) eingeführten Neuregelung im Aufenthaltsgesetz zum „Betreten“ bzw. „Durchsuchen“ einer Wohnung im Kontext von Abschiebungen. Umstritten ist insbesondere die Vorschrift aus § 58 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz, wonach das „Betreten“ im Gegensatz zum „Durchsuchen“ einer Wohnung bei Abschiebungen auch ohne richterliche Anordnung erfolgen könne. Zu dieser Frage gibt es bislang keine Entscheidung des Bundesverwaltungs- oder Bundesverfassungsgerichts. Die jüngere Rechtsprechung geht jedoch davon aus, dass eine solche Unterscheidung nicht möglich ist. Dient das Betreten einer Wohnung dem Auffinden und Ergreifen der abzuschiebenden Person, wird dies von den Gerichten als Durchsuchung im Sinne von Artikel 13 Absatz 2 Grundgesetz gewertet, die ohne richterliche Anordnung nicht zulässig ist.
Jelpke weiter:
„Aus guten Gründen unterliegen Wohnungsdurchsuchungen einem strikten Richtervorbehalt. Wortklaubereien können diesen Grundrechtsschutz nicht außer Kraft setzen.
Dass die Unterscheidung zwischen ‚Betreten‘ und ‚Durchsuchen‘ sich nicht aufrechterhalten lässt, ergibt sich auch aus der Praxis: Die Behörden müssten ja auf den Zufall setzen, dass die gesuchten Personen die Tür öffnen und sich auf bloßes Bitten der Polizei hin zur Verfügung stellen, um abgeschoben zu werden. Außerdem müssen auch Reisedokumente, Medikamente, Bargeld und Wertgegenstände mitgenommen werden. Hierzu ist ein Durchsuchen der Wohnung unerlässlich – oder die Behörden müssten sich darauf verlassen, dass die Betroffenen all diese Dinge freiwillig der Polizei übergeben. Das ist erkennbar absurd.
Die Neuregelung des § 58 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz zielt darauf ab, den besonderen Schutz der Wohnung für Geflüchtete zu umgehen, um sie leichter abschieben zu können. Ich fordere die politisch Verantwortlichen dazu auf, auf dem Boden der Verfassung zu bleiben und diese Vorschrift nicht anzuwenden. Der Schutz von Grundrechten darf nicht der möglichst reibungslosen Durchsetzung von Abschiebungen geopfert werden!“
Das Gutachten (WD 3 – 3000 – 206/19) ist hier abrufbar: WD 3-206-19 Betreten der Wohnung Abschiebung Artikel 13