Artikel: Polizei soll WhatsApp knacken

Herbstkonferenz der Innenminister berät über Verschärfung von Sicherheitsgesetzen. Unionsparteien profilieren sich als Scharfmacher

erschienen in junge Welt vom 30.11.2016

Am Dienstag begann in der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken die zweitägige Herbstkonferenz der Innenminister von Bund- und Ländern (IMK). Auf der Tagesordnung steht eine breite Themenpalette von Verkehrs- über Waffenrecht bis zu Wohnungseinbrüchen und Terrorismusbekämpfung. Da Einstimmigkeit erforderlich ist, werden auf den IMK in der Regel zwar viele Themen besprochen, aber nur wenige oder entsprechend verwässerte Beschlüsse gefasst. Durch den Aufstieg der rechtspopulistischen AfD unter Druck geraten, dürfte allerdings die Bereitschaft der Innenminister zu symbolträchtigen Law-and-Order-Maßnahmen weiter zunehmen. So wird die Agenda der Herbst-IMK auch von der sogenannten Berliner Erklärung beeinflusst. In dieser Denkschrift hatten die Unions-Innenminister im August eine drastische Verschärfung der Überwachungs- und Sicherheitsgesetze eingefordert und ein »überzogenes Datenschutzrecht« angeprangert.

»Was nutzt mir aber der Datenschutz, wenn ich tot bin«, machte der Vorsitzende der IMK, Saarlands Innenminister Klaus Bouillon (CDU), vor Beginn der Konferenz entsprechend Stimmung für eine Ausweitung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung, die alle Telekommunikationsteilnehmer unter Generalverdacht stellt, auf bis zu zehn Wochen. Einigkeit besteht unter den Innenministern darüber, dass die Sicherheitsbehörden per Gesetz Zugriff auf Messenger-Dienste wie WhatsApp erhalten müssen. Denn bislang gibt es einen solchen Zugriff nur auf SMS während andere Kurznachrichtenanbieter nicht dem Telemediengesetz unterliegen. Derweil ist bereits eine Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (Ztis) im Aufbau. Diese soll Polizei und Geheimdienste schon ohne eine gesetzliche Kooperationsverpflichtung der Anbieterfirmen technisch in die Lage versetzen, Messengerdienste zu überwachen.

Der IMK-Vorsitzende Bouillon rechtfertigte zudem einen besonderen Schutz für Polizisten vor Angriffen (siehe Text unten) gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. »Jeder Täter muss wissen, dass er eine Gefängnisstrafe bekommt, wenn er die Polizei angreift.«Wer Straftaten gegen Polizisten schärfer als solche gegen andere Bürger ahnden will, falle in eine obrigkeitsstaatliche Haltung zurück, die in einer modernen Demokratie nichts zu suchen haben, hieß es dagegen aus der Linksfraktion im Bundestag. Auch der Präsident des Deutschen Anwaltsvereins, Ulrich Schellenberg, hält höhere Strafen nicht für zielführend. Weniger Gewalt gegen Polizisten erziele man durch eine höhere Personaldichte, so der Jurist gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Als Scharfmacher im Vorfeld der Konferenz erwies sich der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU). Am Wochenende hatte er ein offiziell zwar nicht zur Präsentation auf der IMK vorgesehenes Papier vorgelegt, in dem er vermeintlich zu lasche Abschieberegelungen beklagte, eine Ausweitung der Abschiebehaft und Kürzung von Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber sowie die Einrichtung eines Rückführzentrums in Ägypten forderte. Teile der Unionsparteien lieferten sich einen »Überbietungswettbewerb, wer die unchristlichste Partei in Deutschland sein soll«, kritisierte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Während die CSU Strobls Überlegungen begrüßte, warf die Linksfraktion dem CDU-Politiker »blanke AfD-Werbung« vor und wies daraufhin, dass die geforderten Verschärfungen größtenteils längst Realität seien.

Rechtzeitig zur IMK steht der Termin für eine gemeinsame »Antiterrorübung« von Bundeswehr und sechs Landespolizeibehörden. Vom 7. bis zum 9. März soll der Umgang mit einem »mehrstufigen, realistischen Anschlagsszenario« von der Armee geprobt werden. Von Unionsseite wird seit langem eine Grundgesetzänderung gefordert, um die offiziell nur der Landesverteidigung dienende Bundeswehr auch im Inland einsetzen zu können. Kritiker sehen daher in dieser Übung einen weiteren Schritt zur Aufweichung des grundgesetzlichen Verbotes von Inlandseinsätzen der Truppe als Hilfspolizei.