Prozess in Bremen: Die restriktive Asylpraxis gehört auf die Anklagebank!

„In Bremen sollte vor allem eine liberale Schutzpraxis für Flüchtlinge abgestraft werden – wer wollte, konnte dies von Anfang an wissen. Für die massiv nach rechts gerückte Asylpolitik in Deutschland war es offenbar unerträglich, dass eine Behördenleiterin dafür sorgte, jesidischen Flüchtlingen unkompliziert den ihnen zustehenden Schutz zu gewähren. Die unverantwortliche Skandalisierung der Vorgänge in Bremen wurde sodann für weitere Verschärfungen des Asylrechts genutzt – dabei sind eine Liberalisierung und qualitative Verbesserung der strengen und häufig fehlerhaften Entscheidungspraxis des BAMF das Gebot der Stunde“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE,  zu dem heute begonnenen Strafprozess gegen die ehemalige BAMF-Leiterin in Bremen, Ulrike B. Die Abgeordnete weiter:

„Nicht die Gewährung, sondern die Verweigerung von Schutz ist der Skandal, für den sich offenbar niemand verantworten muss. Wenn fast ein Drittel aller gerichtlich überprüften BAMF-Bescheide sich als rechtswidrig erweist, dann ist das ein nicht akzeptabler Befund, für den Bundesinnenminister Seehofer und Behördenchef Sommer die Verantwortung tragen. Statt für eine unabhängige Verfahrensberatung, eine gute Vertretung des BAMF in Gerichtsverfahren und nochmalige Überprüfungen ablehnender Bescheide zu sorgen, betreibt das BAMF hunderttausende aufwändige Widerrufsverfahren, die in aller Regel zu nichts führen. Diese Praxis ist europaweit nahezu einmalig und eine völlig falsche Prioritätensetzung.

Bundesinnenminister Seehofer und sein Staatssekretär Mayer haben allen Anlass, sich bei der ehemaligen Leiterin in Bremen, Ulrike B., zu entschuldigen: Entgegen ihrer besonderen Fürsorgepflicht haben sie die bewährte und fachkundige Beamtin aus Bremen öffentlich vorverurteilt und damit massiv zu ihrer Verleumdung und Kriminalisierung beigetragen. Doch trotz der umfassendsten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Bremen seit dem Zweiten Weltkrieg und einem enormen Personaleinsatz, auch im BAMF, blieb am Ende von den ursprünglichen Vorwürfen eines angeblichen bandenmäßigen Asylmissbrauchs nichts mehr übrig – gegen die wenigen verbliebenen Anklagereste wird sich die ehemalige Leiterin vermutlich auch noch zu verteidigen wissen. Hier wäre der von rechten Politikern inflationär genutzte Begriff der ‚Hexenjagd‘ tatsächlich einmal zutreffend.

Klar ist jetzt schon: Soweit das BAMF bei seiner Aufarbeitung der Vorgänge damalige Anerkennungen aus Bremen wieder zurückgenommen hat, wurden diese Rücknahmen nach einer gerichtlicher Überprüfung ihrerseits zu fast 90 Prozent als rechtswidrig bewertet, das zeigen Zahlen der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 19/26132, Fragen 8-10). Es wurde also zu Recht Schutz gewährt, und die Rücknahmen der damaligen korrekten Entscheidungen waren offenbar vor allem politisch motiviert. Auch das ist ein Skandal, über den jedoch kaum berichtet wird.“