Horch und Push

Bundespolizei an illegaler Zurückdrängung von Migranten in Ägäis beteiligt, Truppe soll künftig im Inland Telekommunikation bespitzeln dürfen

Artikel von Ulla Jelpke aus junge Welt vom 1. November 2020

Die Bundespolizei steht im Verdacht, der illegalen Zurückdrängung eines Flüchtlingsbootes durch die griechische Küstenwache Vorschub geleistet zu haben. Über diesen sogenannten Pushback aus griechischen Hoheitsgewässern hatte am Wochenende zuerst das Magazin Spiegel unter Verweis auf ein Schreiben des Chefs der EU-»Grenzschutzagentur« Frontex, Fabrice Leggeri, an die EU-Kommission berichtet. Demnach hatte das im Rahmen der Frontex-Mission »Poseidon« operierende Patrouillenboot »Uckermark« der Bundespolizei am 10. August ein überfülltes Schlauchboot mit 40 Migranten so lange blockiert, bis ein Schiff der griechischen Küstenwache eingetroffen war. Während das griechische Boot ohne die Schutzsuchenden in den Hafen von Samos zurückkehrte, wurden die Flüchtlinge zwei Stunden später von einem türkischen Küstenwachboot an Bord genommen.

Die Insassen des Schlauchboots hätten angeblich freiwillig beim Anblick des griechischen Küstenwachbootes den Kurs in Richtung Türkei geändert, teilte das internationale Koordinierungszentrum in Piräus auf Nachfrage von deutscher Seite mit. Die Bundespolizei beklagt zwar, dass sich diese Angaben mit der Darstellung des deutschen Kapitäns »in wesentlichen Punkten« widersprächen. Ein Fehlverhalten der Besatzung der »Uckermark« will das Bundespolizeipräsidium dennoch nicht erkennen. So einfach kann sich die Bundespolizei allerdings nicht aus der Affäre ziehen. Denn dass die griechische Küstenwache regelmäßig unter offener Missachtung des Seerechts gewaltsam Flüchtlingsboote aus griechischen Hoheitsgewässern ins offene Meer zurücktreibt und anschließend ihre Außenbordmotoren zerstört, ist bekannt. Ein Rechercheverbund, dem unter anderem »Report Mainz« und der Spiegel angehören, hatte im Oktober eine Reihe solcher Fälle, in die Frontex verwickelt war, dokumentiert.

 

Da die Bundespolizisten damit rechnen mussten, dass auch das von ihnen an die griechischen Behörden übergebene Boot so behandelt würde, haben sie sich möglicherweise nach internationalem Recht der Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Selbst innerhalb der Regierungskoalition wächst das Unbehagen über den Frontex-Einsatz. »Deutsche dürfen sich auf keinen Fall an Pushbacks beteiligen, auch nicht indirekt. Und wenn Frontex das nicht sicherstellen kann, muss das deutsche Kontingent zurückgezogen werden«, sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, gegenüber dem Spiegel. Er fordert den Rückzug der Bundespolizei aus der Ägäis.

Während das Agieren der Bundespolizei an den europäischen Außengrenzen in der Kritik steht, soll die Polizeitruppe im Inland mit weiteren Befugnissen ausgestattet werden. Die Regierungskoalition hat sich nach Informationen der FAZ vom Montag auf Eckpunkte für ein neues Bundespolizeigesetz geeinigt. So soll der Bundespolizei die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung zum Mitlesen von Nachrichten in verschlüsselten Chatdiensten erlaubt werden. Zukünftig sollen die Beamten zudem die Strafverfolgung bei »unerlaubtem Aufenthalt« selbst übernehmen, Platzverweise erteilen und Blutproben entnehmen können. Bislang musste sie dafür die Landespolizeibehörden einschalten. Hardliner der Unionsfraktion forderten sogar, im Bundespolizeigesetz das Recht auf Onlinedurchsuchungen und den Einsatz der elektronischen Gesichtserkennung zu verankern. Dies soll vorerst nicht passieren.