Zensur als Option

Verbot von »linksunten.indymedia«

Gastkommentar von Ulla Jelpke in junge Welt vom 26.8.2017

Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag

Hassreden und Hetze in den Medien – nicht nur im Internet – sind ein großes Problem. Man schaue sich nur auf Facebook um, lese Bild oder Junge Freiheit. Wie dort gegen Migranten gehetzt wird, würde so manche Verbotsverfügung rechtfertigen.Wobei der Innenminister gar nicht soweit gehen müsste. Während er andere der menschenfeindlichen Hetze beschuldigt, sitzt er im Glashaus: Seine verlogene und schon längst widerlegte, trotzdem stets neu aufgelegte Propaganda etwa gegen Flüchtlinge, die angeblich massenhaft falsche Pässe vorzeigen, sich durch erschwindelte Atteste der Abschiebung entziehen und partout nicht in ihre »sicheren Herkunftsländer« wie etwa Afghanistan zurückwollen – was ist das anderes als die Aufstachlung zu rassistischem Hass? Mit AfD und NPD treten zwei Parteien auf, die sich dem Kampf gegen Flüchtlinge explizit verschrieben haben. Das alles bleibt legal, verboten aber wird eine linke Internetplattform. Der Kampf gegen »Linksextremisten« fällt dem Staat offensichtlich leichter als der gegen rechts – wen wundert’s?

Der Vorwurf, die »­indymedia«-Seite habe zu den Krawallen beim G-20-Gipfel in Hamburg aufgestachelt, folgt dem Haltet-den-Dieb-Prinzip: Unterschlagen werden die vereinten Bemühungen der »schwarz-rot-grünen« Koalitionäre in Berlin und Hamburg, schon im Vorfeld des Gipfels alles dafür zu tun, um die Demonstranten als Kriminelle zu verteufeln, das Vorgehen gegen gerichtlich erlaubte Camps und die Entfesselung einer Polizeigewalt, der Hunderte friedliche Kapitalismusgegner zum Opfer fielen.

Man muss nicht alles goutieren, was auf der »linksunten.indy­media«-Seite steht. Darunter ist auch mancher Blödsinn. Man möchte gerne wissen, wie viele Beiträge von Provokateuren oder V-Leuten selbst stammen, wird es aber nie erfahren. CDU und CSU gerieren sich einen Monat vor der Bundestagswahl gegenüber ihrer bürgerlichen Klientel als Kämpfer gegen »Extremismus jeder Couleur«, indem sie ein linksradikales Netzwerk zerschlagen oder jedenfalls behindern. Es wird der linken Szene vermutlich rasch gelingen, die verbotene Seite woanders im Netz wiederherzustellen.

Nicht nur symbolisch aber ist die Folge des Verbots: Jeder, der künftig an der inkriminierten Seite mitwirkt, muss wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Strafe rechnen. Auf den Inhalt dessen, was man schreibt, kommt es dabei gar nicht mehr an. Insofern ist das Verbot ein Schritt dahin, die Reichweite der linksradikalen, antikapitalistischen Szene sowie ihren internen Informationsaustausch einzuschränken. Das ist auch ein Signal an andere radikal linke Medien, auch die junge Welt, die ja laut Zeugnis des Verfassungsschutzes das wichtigste Printmedium der linken Szene ist. Zensur und gewaltsame Meinungsunterdrückung ist immer noch eine Option für den bürgerlichen Staat.