Klatsche aus Karlsruhe

Bundesverfassungsgericht kassiert Großteil des BKA-Gesetzes, erklärt aber Staatsinteresse für gleichrangig mit Bürgerrechten

 

(junge Welt, 21. 4. 2016)

Beim Umbau des Bundeskriminalamts zur Spitzelbehörde musste die Bundesregierung gestern einen erheblichen Dämpfer einstecken: Das Bundesverfassungsgericht erklärte am Mittwoch das BKA-Gesetz in weiten Teilen für verfassungswidrig. Das Urteil hält allerdings auch fest, dass die meisten Bestimmungen durch »flankierende« Regelungen beibehalten werden könnten.

Mit dem bereits im Jahr 2009 eingeführten Gesetz erhielt das BKA weitreichende Befugnisse zur »präventiven Gefahrenabwehr«. Besonders umstritten waren damals die optische und akustische Wohnraumüberwachung (»Lausch- und Spähangriff«) und die Möglichkeit der Onlineüberwachung von Computern. Auch unbeteiligte Kontakt- oder Begleitpersonen gerieten seither ins Visier. Gegen das Gesetz legten unter anderem Zeit-Herausgeber Michael Naumann, einige Grünen-Politiker und der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) Verfassungsbeschwerde ein.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, dass der Schutz grundlegender Bürgerrechte nicht ausreichend garantiert werde. Eingriffe in die Privatsphäre dürften sich nicht gegen Unbeteiligte richten, sondern ausschließlich die »gefahrenverantwortlichen Zielpersonen selbst«. Und auch dann gehe es nicht an, dass das BKA selbst darüber entscheide, ob die mitgehörten Gespräche in den Bereich der geschützten Privatsphäre fallen. Abgesehen von Fällen bei »Gefahr in Verzug«, müssten sämtliche in Wohnungen oder per Computerüberwachung gewonnenen Daten einer unabhängigen Stelle vorgelegt werden. Kassiert wurde vom Gericht außerdem die Möglichkeit, auf die Löschung erhobener Daten langfristig zu verzichten, um sie für ganz andere Zwecke zu verwenden. Dauerhafte Observationen seien – mit Gerichtsbeschluss – nur zulässig, wenn die Zielpersonen verdächtig seien, »in überschaubarer Zukunft terroristische Straftaten« zu begehen. Eine Weitergabe von Daten an andere Polizeibehörden ohne konkrete Ermittlungsansätze wurde verworfen.

Erstmals gibt das Verfassungsgericht auch Rahmenbedingungen für Datenübermittlungen an ausländische Behörden vor. Dabei müsse eine »wirksame Kontrolle« sicherstellen, dass der Empfängerstaat die Daten nicht für Menschenrechtsverletzungen nutzt. Das hört sich zwar gut an, gleichwohl erklärten die Richter genau in diesem Punkt das BKA-Gesetz für verfassungskonform, weil es in einem Halbsatz Datenübermittlungen ausschließt, wenn ihnen »schutzwürdige Interessen« der betreffenden Person entgegenstehen. Wie eine »wirksame Kontrolle« zum Beispiel die USA davon abhalten könnte, übermittelte Daten für Drohnenangriffe zu nutzen, bleibt im Dunkeln.

Mitkläger Gerhart Baum hofft nun, das Urteil werde auch Änderungen in anderen Gesetzen etwa der Geheimdienste nach sich ziehen, die ähnliche Regelungen enthalten. Allerdings haben die Richter das BKA-Gesetz nicht komplett verrissen. Vielmehr hielten sie fest, dass die Sicherheitsinteressen des Staates und die Freiheitsrechte der Bürger »im gleichen Rang« zueinander stünden. Die meisten Gesetzesbestimmungen seien »im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar«, nur ihre »derzeitige Ausgestaltung« nicht.

Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke kündigte an, die Regierung werde zügig die geforderten Nachbesserungen vornehmen. Es steht zu befürchten, dass sie sich auf einige Hohlphrasen beschränkt, die den Vorgaben der Richter mehr formell als inhaltlich genügen. Somit ist die Klatsche des Gerichts für die Bundesregierung längst nicht kräftig genug ausgefallen.