Rede: Asylpaket II stößt Tausende von Menschen in Elend und Verzweiflung

 

Rede zu TOP 3 der 158. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages

– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Drs. 18/7538) – Asylpaket II

und

– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern (Drs. 18/7537)

 

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Warken, Sie haben in Ihrer Rede wirklich den Geist der Abschiebepolitik vorgetragen,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

der unsäglich ist. Sie haben nichts Konstruktives vorzutragen – im Gegenteil. Vor allen Dingen der rechten Seite dieses Hauses geht es nur noch darum: Wie werden wir Menschen los, die Schutz suchen? Wie können wir sie am besten abschieben? Und das ist einfach unerträglich und ekelhaft.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das ist jetzt ein bisschen frech! – Maik Beermann (CDU/CSU): Wirtschaftsflüchtlinge! – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Wollen Sie gar nicht abschieben?)

Wenn Sie schon nicht mehr darüber diskutieren wollen, auf welche Weise sichere Herkunftsstaaten einzustufen sind, dann kann ich Ihnen nur sagen: Lesen Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus den 90er-Jahren. Da ist sehr genau beschrieben worden, dass auch die internationalen NGOs befragt werden müssen.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

Natürlich haben Sie das nicht getan. Und was haben wir für eine Situation? In den Abschiebelagern bzw. in den Sonderlagern sind Roma-Familien, die man meines Erachtens nicht einfach so abschieben kann. Diese Menschen sind schutzbedürftig! Da kann man sich hier nicht einfach hinstellen und so tun, als sei es völlig berechtigt, Tausende von Menschen von heute auf morgen abzuschieben. Das ist wirklich unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Da Sie hier aus Gutachten der von Ihnen bestellten Sachverständigen zitiert haben, möchte ich wenigstens sagen: Innerhalb von fünf Tagen werden diese Gesetzentwürfe hier durchgepeitscht. Es gibt auch Gutachten, die ganz klar sagen, dass mit der Einschränkung beim Familiennachzug, den Sie hier jetzt behindern wollen, gegen die UN-Flüchtlingskonvention, die UN-Kinderrechtskonvention und auch gegen EU-Recht verstoßen wird. Aber das interessiert Sie gar nicht. Es ist doch interessant, dass zum Beispiel die Neue Richtervereinigung moniert, dass diese Anhörung zu den Verschärfungen – wörtliches Zitat – allenfalls „der Form halber“ durchgeführt wurde und dass das federführende BMI, also das Innenministerium, keinerlei Interesse an inhaltlichen Äußerungen hatte. Das ist doch echt ein Skandal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie sagen hier auch nur die halbe Wahrheit. Reden wir einmal über einen 13-jährigen Jungen, der als unbegleiteter Flüchtling aus Syrien gekommen ist. Es geht doch darum, dass die Wartezeiten heute schon sehr lange sind. Wenn Sie den Familiennachzug für zwei Jahre aussetzen, kommt man – wir haben das einmal durchgerechnet – auf Wartezeiten von insgesamt drei bis vier Jahren. Das heißt, dieser Jugendliche muss bis zu vier Jahre auf seine Eltern verzichten.

(Marian Wendt (CDU/CSU): Nein! Muss er gar nicht!)

Auch das finde ich unmenschlich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist wirklich ein Skandal, dass Sie hier sagen – so hat Herr Schröder das formuliert -: Schutz und Hilfe nur für diejenigen, die Hilfe brauchen. – Wollen Sie etwa sagen, dass diese jungen Menschen ihre Eltern nicht brauchen? Was sind Sie bloß für Eltern?

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Was sind das nur für Eltern?)

Da muss ich mich wirklich an den Kopf fassen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich will noch einen Punkt zu den Minderjährigen sagen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin, Sie müssen bitte auf die Zeit achten.

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

Im vergangenen Jahr wurden gerade einmal 105 Anerkennungen von subsidiär, also vorübergehend, schutzberechtigten Kindern gezählt. Auch daran wird deutlich, wie kleinkariert Ihre Flüchtlings- und Asylpolitik ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Redezeit ist leider abgelaufen, zum Schluss will ich aber wenigstens noch einen Satz sagen: Wer einer Partei angehört, die das Wort „christlich“ oder sogar noch das Wort „sozial“ in ihrem Parteinamen hat, kann den Gesetzentwürfen heute nicht zustimmen. So denken wir. Wir werden auch weiterhin gegen diese Maßnahmen kämpfen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)