Trojanisches Pferd

IMK will Messengerdienst-Überwachung

Kommentar von Ulla Jelpke in junge Welt vom 14. Juni 2017

Auch Terroristen kommunizieren über Whats-App. Das weiß der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Und darum ist er sich mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf der laufenden Innenministerkonferenz (IMK) in Dresden einig: Die Sicherheitsbehörden müssen die Möglichkeit zur Onlineüberwachung von verschlüsselten Messenger-Diensten erhalten, und zwar zur »Gefahrenabwehr« bereits im Vorfeld einer vielleicht nur vage vermuteten Straftat. Auch die SPD hält das grundsätzlich für richtig.

Wenn eine Person im Verdacht steht, einen terroristischen Anschlag zu planen, dann kann ihre Messenger-Kommunikation schon heute aufgrund des BKA-Gesetzes überwacht werden. Das Problem ist hier allerdings ein technisches, da die Ermittlungsbehörden bislang mittels eines Trojaners in ein Handy oder einen Computer eindringen müssen. Daher sollen die Messenger-Anbieter – so wie bereits die Telekommunikationsanbieter – gesetzlich dazu verpflichtet werden, den Sicherheitsbehörden in ihrer Software technische Hintertüren für Überwachung offenzuhalten.

Diese Forderung der Innenminister erweist sich wahrlich als Trojanisches Pferd für die Bürgerrechte. Zum einen besteht die Gefahr des Datenmissbrauchs durch die deutschen Sicherheitsbehörden. Denn diese können dann keineswegs nur bei Terrorverdächtigen, sondern bereits bei anderen Straftaten mit Tatort Internet wie Beleidigung oder Betrug uferlose Datensammlungen anhäufen. Zudem kann die Software mit absichtlichen Sicherheitslücken auch in die Hände von Kriminellen oder ausländischen Geheimdiensten geraten. Mit dieser Gefahr argumentierte im vergangenen Jahr der IT-Konzern Apple, als US-Behörden ihn zu verpflichten suchten, ein Werkzeug zum Knacken von I-Phone-Passwörtern bereitzustellen. Wie zum Beweis der Apple-Warnungen wurden kurz darauf die Programmiercodes der strenggeheimen Überwachungswerkzeuge des US-Geheimdienstes NSA im Internet enthüllt. Bei den Softwaredieben soll es sich übrigens um die berüchtigten russischen Hacker gehandelt haben. Nicht nur ihnen würden durch die von den deutschen Innenministern geforderten Überwachungsmöglichkeiten zusätzliche Einfallstore geöffnet.

Wohin der Überwachungswahnsinn einer Regierung gegen ihre Bürger führen kann, zeigt gegenwärtig die Türkei. Zehntausende Menschen wurden dort seit dem Putschversuch gegen Präsident Erdogan im Juli 2016 allein deswegen inhaftiert oder von ihren Arbeitsstellen suspendiert, weil sie einen auch von den Putschisten genutzten Messenger-Dienst namens Bylock auf ihren Smartphones installiert hatten. Vergangene Woche wurde deshalb selbst der Chef der türkischen Sektion von Amnesty International als Terrorist verhaftet.

So weit ist es in Deutschland zum Glück noch nicht. Doch Erdogan unterscheidet sich von de Maizière und Hermann nur in der Konsequenz seiner Handlungen, nicht aber in der paranoiden Logik des Generalverdachts gegen alle Bürger.