Artikel: Faschismus gestärkt

Aus: Ausgabe vom 18.01.2017, Seite 8 / Ansichten

NPD nicht verboten

 

Das Grundgesetz hat eine neue Lesart: Ein bisschen Faschismus ist hierzulande wieder erlaubt. Zumindest in Parteiform darf ungehemmt antidemokratische Hetze betrieben werden. Naziparteien müssen nur aufpassen, dass sie nicht allzu viele Stimmen kriegen.Nein, das Bundesverfassungsgericht hat keine Sympathien für die NPD, und es hat eindeutig klargestellt, dass es die NPD für verfassungswidrig hält. Seine Auffassung, ein Parteiverbot sei nur möglich, wenn die Partei kurz vor der Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele stehe, ist aber brandgefährlich. Im Ernstfall bedeutet das: die Nazis solange hetzen zu lassen, bis sie kurz vor der Machtübernahme stehen. Nach dieser Logik wäre ein Verbot der NSDAP noch Anfang Januar 1933 unzulässig gewesen – ganz abgesehen davon, dass es auch praktisch kaum noch durchführbar gewesen wäre.

Es steht zu befürchten, dass dieses Urteil dem Rechtstrend im Land weiteren Aufwind verleihen wird. Die NPD darf (!) jetzt jegliche taktische Zurückhaltung aufgeben und noch ungehemmter hetzen. Zumindest in den Hochburgen der Naziszene macht das Urteil die Lage für Migranten, Juden, Schwule, Linke usw. bedeutend gefährlicher.

Natürlich: Die NPD liegt derzeit am Boden, ihre Wahlergebnisse sind mager, ihre Finanzen desolat. Aber ihre Gefährlichkeit nur an Wahlresultaten festzumachen, ist kurzsichtig. Für einen Teil der militanten Neonaziszene ist sie nach wie vor Stichwortgeber und organisatorisches Rückgrat. Und wer kann ausschließen, dass der gegenwärtige Aufschwung rassistischer Ideologien nicht letztlich auch der NPD zugute kommt? Wohin gehen die AfD-Wähler, wenn sie erkennen, dass die vermeintliche »Alternative« ihnen auch keine Perspektive bietet und die AfD letztlich doch nur eine »Systempartei« ist (wenn auch die ekelhafteste von allen)?

Gefragt werden muss auch danach, warum die Beweisführung der Verfassungsschutzbehörden in Karlsruhe spektakulär schwach war und sie auf etliche Nachfragen der Richter nicht vorbereitet waren. Hatten sie womöglich ein Interesse daran, die NPD als Quelle fragwürdiger Erkenntnisse zu retten?

In jedem Fall ist das Urteil eine Herausforderung für alle Antifaschisten. Der Versuch, die schlimmsten Auswüchse des Nazismus vom Staat bekämpfen zu lassen, ist gescheitert. Antifa muss sich auf die eigene Stärke besinnen, was nicht heißt, den Staat aus der Verantwortung zu entlassen: Die Länder, die das Verfahren angestrengt haben, müssen jetzt umso dringender Mittel für Projekte gegen rechts lockermachen. Sie werden nötig sein.