Rede: Symbolpolitik untauglich gegen kriminelle Rockerbanden

Rede zu TOP 25 der 194. Sitzung des Deutschen Bundestages am Freitag, dem 30. September 2016

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes Drucksache 18/9758

 

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat stehen manche Motorradklubs heute leider nicht nur für die Freiheit auf zwei Rädern oder für die Easy-Rider-Romantik. Einige bekannte international agierende Rockerclubs dienen auch als Deckmantel für die organisierte Kriminalität. Ein Teil ihrer Mitglieder sind in Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Zuhälterei, ja sogar in Menschenhandel verstrickt. Immer wieder gibt es Tote bei Bandenkämpfen. Deswegen ist die Linke sehr dafür, diesem Teil der Rockerszene den Kampf anzusagen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Doch Verbote von Symbolen oder Kennzeichen greifen oft ins Leere,

(Susanne Mittag (SPD): Das ist ein Irrtum!)

weil die kriminellen Rocker sich schnell unter anderem Namen neu formieren und sich einfach die Kutte eines Nachbarklubs überstreifen. Notwendig und legitim wäre es, gegen einen Rockerklub, wenn er denn als Deckmantel für schwere Kriminalität dient, mit den Mitteln des Straf- und Vereinsrechts vorzugehen.

Die Bundesregierung aber will es sich einfach machen. Sie will selbst dann, wenn nur eine einzelne Ortsgruppe eines Vereins verboten wird, deren Symbole gleich bundesweit für alle Mitglieder unter Strafe stellen. Das ist eine völlig unverhältnismäßige Maßnahme, die noch dazu mit dem föderalen Prinzip meines Erachtens nicht vereinbar zu sein scheint.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht hier nicht nur um kriminelle Rockergruppierungen, wie uns der Gesetzestext fälschlicherweise suggeriert; denn diese werden nur als ein Beispiel genannt. Man muss sagen, dass eigentlich jedes Mal, wenn wir über Gesetzesverschärfungen im Bereich der inneren Sicherheit diskutieren, eine Gruppierung als Begründung angeführt wird. Wir sind uns hier aber sicherlich alle einig, dass Nazis, Dschihadisten, Kinderpornoringe und natürlich auch kriminelle Rocker bekämpft werden müssen. Doch in der Praxis trifft eine Gesetzesverschärfung jedes Mal auch ganz andere Gruppierungen als die ursprünglich zur Rechtfertigung der Verschärfung angeführten. Nehmen wir einmal an, eine Hooligan- oder Ultragruppe wird verboten, weil sie regelmäßig Gewalttaten verübt. Sollen nun auch andere, friedliche Fangruppen von Fußballvereinen in Sippenhaft genommen werden, nur weil sie die gleichen Logos und Farben wie die verbotene Ultragruppe verwenden? Auch einige Beispiele aus dem politischen Bereich, von links bis rechts, würden mir hier einfallen. Diese Unbestimmtheit des Gesetzes eröffnet der Behördenwillkür einmal mehr Tür und Tor, und deswegen können wir diesem Gesetz nicht zustimmen.

Meine Damen und Herren, seien wir einmal realistisch! Kriminelle Rockerbanden werden ihre Straftaten doch nicht deswegen einstellen, weil sie ihre Kutte nicht mehr tragen dürfen. Soweit sie überhaupt eines äußeren Erkennungszeichen bedürfen, werden sie auf unverfängliche Symbole ausweichen. Die meisten Verbrecher agieren gänzlich ohne verräterische äußere Kennzeichnung, da diese einer kriminellen Aktivität ja in der Regel eher abträglich erscheint.

Der Kern des Problems mit den kriminellen Rockerbanden ist ein anderer. Es ist ein offenes Geheimnis, dass manche der in organisierte Kriminalität verwickelten Rockergruppen gute Kontakte zur Politik, zur Polizei, aber auch zum Justizapparat pflegen. Ich nenne hier nur als Beispiel Hannover; aus zeitlichen Gründen kann ich das leider nicht ausführen. Ermittlungen gegen diese Banden verlaufen also oft im Sande, weil diese zum Beispiel von der Polizei vor einer Razzia gewarnt worden sind. Ich finde, diesen Saustall muss man ausmisten. Man muss etwas Vernünftiges tun, damit das nicht mehr passiert. Doch dazu braucht es den nötigen politischen Willen, und den vermissen wir hier.

Dieser Gesetzentwurf ist zum einen untauglich, weil er sich auf Symbolpolitik beschränkt. Zum anderen schießt er über das Ziel hinaus, weil durch das großzügige Verbot von Vereinswappen und Ähnlichem auch viele Unschuldige betroffen sind. Insofern denken wir, dass wir noch einmal im Ausschuss darüber beraten sollten. Es ist jedenfalls keine effektive Bekämpfung von organisierter Kriminalität, wenn man Symbole bekämpft.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)