Kommentar: Voller Misstrauen

Entwurf für »Integrationsgesetz«

 
Als »Meilenstein« bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den vom Bundeskabinett am Mittwoch beschlossenen Entwurf für ein Integrationsgesetz. Die Botschaft an die Flüchtlinge sei: »Wenn du dich reinhängst, dann wird was aus dir«, lobte Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) den Gesetzentwurf. Doch zahlreiche Punkte machen das sogenannte Integrationsgesetz eher zu einem Integrationsverhinderungsgesetz. So behindern die rechtlich zweifelhaften Wohnsitzauflagen die Arbeitssuche der Geflüchteten: Sie berücksichtigen die für das Finden einer Stelle wichtigen sozialen familiären und freundschaftlichen Netzwerke nicht. Das aus 100.000 neuen Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten bestehende »Arbeitsmarktprogramm für Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen« soll einer »niedrigschwelligen Heranführung an den deutschen Arbeitsmarkt« dienen. Suggeriert wird damit in rassistischer und paternalistischer Weise, Flüchtlinge müssten erst »an die Arbeit« und »deutsche Tugenden« herangeführt werden. Zudem setzt dieses Programm die Geflüchteten der Gefahr aus, als Billiglohnkonkurrenz wahrgenommen zu werden, wenn die Ein-Euro-Jobs reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängen.

Insgesamt trieft der Gesetzentwurf vor Misstrauen gegenüber Geflüchteten. Suggeriert wird, es fehle von vornherein an Integrationsbereitschaft, diese müsse mit Sanktionsdrohungen erzwungen werden. So soll das Asylbewerberleistungsgesetz künftig ungefähr 15 verschiedene Sanktionstatbestände umfassen, mit möglichen Leistungskürzungen um rund 50 Prozent – wobei auch das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum unterschritten werden kann. Empirische Belege für eine massenhafte Integrationsverweigerung gibt es allerdings nicht. Auf parlamentarische Anfragen musste die Bundesregierung einräumen, gar keine Daten darüber zu haben, in welchem Umfang zu Integrationskursen Verpflichtete schuldhaft ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Während der Bundesinnenminister von »zehn bis 15 Prozent« phantasierte, ging der frühere Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, von nur etwa »einem Prozent« aus.

Tatsächlich ist die Masse der Flüchtlinge hochmotiviert. Doch sie werden durch gesetzliche Arbeitsverbote und Einschränkungen sowie unzureichende Integrations- und Sprachkursangebote zu monate- und jahrelanger Untätigkeit verurteilt. Auch die notdürftige Unterbringung vieler Flüchtlinge sowie die durch lange absehbare Personalengpässe und bürokratische Schikanen nur schleppend erfolgende Bearbeitung ihrer Asylanträge wirken sich integrationshemmend aus. Um von ihren eigenen Versäumnissen in der Asylpolitik abzulenken, konstruiert die Bundesregierung das Feindbild des Integrationsverweigerers und bedient damit fremdenfeindliche Ressentiments.

So dient das Gesetz tatsächlich der Integration – der Integration von AfD- und Pegida-Positionen in die Bundespolitik.

Erschien in junge Welt vom 26.5.16