Artkel: Zweischneidiges Schwert

Gastkommentar: Kabinett will Passgesetz ändern

 
Von Ulla Jelpke

(erschienen in der jungen Welt am 14.01.2015)

 

Am heutigen Mittwoch will das Bundeskabinett über eine Änderung des Passgesetzes abstimmen. Personen, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie sich als terroristisch eingestuften Organisationen im Ausland anschließen wollen, soll neben dem Reisepass auch der Personalausweis entzogen werden können. Für eine Maximaldauer von 18 Monaten sollen die Betroffenen ein Ersatzdokument mit sichtbarem Vermerk des Ausreiseverbots erhalten. Begründet wird diese geplante Maßnahme mit Reisebewegungen gewalttätiger Dschihadisten des »Islamischen Staates« (IS). Denn bislang konnten Dschihadisten auch nach Entzug des Reisepasses ein Ausreiseverbot umgehen, indem sie mit ihrem Personalausweis in die Türkei reisten, um von dort illegal die Grenze nach Syrien zu überqueren. So sind der Bundesregierung 20 Fälle bekannt, in denen Personen trotz Ausreiseverbots die Bundesrepublik Richtung Syrien verlassen konnten. Gleichzeitig räumt die Regierung in dieser Antwort ein, auch mit einem Personalausweisentzug nicht alle Ausreisen von Dschihadisten verhindern zu können.

So richtig es ist, Maßnahmen gegen die Ausreise von IS-Terroristen zu ergreifen, stellt sich doch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme, die bereits ohne Richterbeschluss zur Stigmatisierung im Alltagsleben führt. Denn für den Ausweisentzug soll der Verdacht auf eine Straftat nach dem Paragraphen 89a des Strafgesetzbuchs, der eine Ausbildung in einem sogenannten Terrorcamp unter Strafe stellt, ausreichen. Dabei handelt es sich aber um einen Gummiparagraphen, der auf die Gesinnung eines vermeintlichen Täters und nicht die tatsächliche Vorbereitung einer schweren Straftat abhebt.

Die Änderung des Passgesetzes könnte sich zudem als zweischneidiges Schwert erweisen. Denn es ist zu befürchten, dass nicht nur Dschihadisten von den geplanten Maßnahmen betroffen sein werden, sondern auch deren entschiedenste Gegner. Das von kurdischen Anti-IS-Kämpfern ausgehende »Gefährdungspotential« sei »qualitativ (…) nicht anders zu bewerten als das der dschihadistischen Syrien-Kämpfer«, erklärte das Bundesinnenministerium kürzlich. Damit könnte auch Kurden, die sich den Verteidigern der vom IS belagerten syrisch-kurdischen Stadt Kobani anschließen wollen, der Ausweis entzogen werden. Denn nach Lesart der Bundesregierung handelt es sich bei ihnen ebenfalls um Terroristen.

Solange die AKP-Regierung der Türkei den IS-Kämpfern zum Kampf gegen kurdische Selbstverwaltungsstrukturen und die syrische Regierung die Grenze nach Syrien offenhält, werden alle Maßnahmen gegen dschihadistische Reisebewegungen ins Leere gehen. Hier sollte die Bundesregierung mit ihrem türkischen NATO-Partner endlich Tacheles reden, anstatt weiter Grundrechte im Namen der Terrorbekämpfung zu beschneiden.

Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag