Erklärung: Weitere Überwachung von Abgeordneten der LINKEN

Der Verfassungsschutz hatte zu Jahresbeginn angekündigt, nicht mehr die gesamte Partei DIE LINKE. zu überwachen, sondern nur noch einzelne „offen extremistische“ Strömungen. Doch wie einem an die Presse gelangten vertraulichen Dossier des Verfassungsschutzes ist zu entnehmen ist, werden auf diese Weise quasi durch die Hintertür weiterhin große Teile der Partei und ein Drittel ihrer Bundestagsabgeordneten überwacht. So rechnet der Geheimdienst mindestens 25 MdBs und vier Europaabgeordnete der LINKEN den vorgeblich extremistischen Strömungen Kommunistische Plattform, Sozialistische Linke, Antikapitalistische Linke, Geraer/Sozialistischer Dialog, Marxistisches Forum und Cuba Si zu.
Die Belege für den angeblichen „Extremismus“ dieser Strömungen diskreditieren vor allem die Autoren dieser VS-Studie. So wird schon ein Bekenntnis zum Sozialismus als „extremistisch“ ausgelegt. Da fragt sich, warum nicht auch die SPD, die in ihrem Programm ein Lippenbekenntnis zum „demokratischen Sozialismus“ ablegt, überwacht wird. Während im Grundgesetz kein Wort von Kapitalismus steht, sehr wohl aber zur Sozialpflichtigkeit von Eigentum, erscheint dem Verfassungsschutz das Ziel, eine „solidarische Gesellschaft jenseits des Kapitalismus“ aufzubauen als antidemokratisch. Als Beleg für die angestrebte „Systemüberwindung“ dient u.a. die Verwendung des bekannten Marx-Zitates durch eine Strömung innerhalb der Linkspartei, wonach es gelte, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Auch die Forderung nach Verstaatlichung von Energiekonzernen gilt als Anhaltspunkt für eine extremistische Bestrebungen. Offenbar ist dem Verfassungsschutz Artikel 15 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht bekannt, in dem es heißt: „Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung (…) in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“. Schon die Betonung der Notwendigkeit parlamentarische mit außerparlamentarischen Aktivitäten zu verbinden, wird vom Verfassungsschutz als „negative Einstellungen gegenüber rechtsstaatlicher Demokratie und Parlamentarismus“ gewertet. Ein in einem historischen Beitrag verwendetes Lenin-Zitats über die Notwendigkeit der Verteidigung Sowjetrußlands wird als „mangelnde Distanzierung gegenüber Gewalt“ ausgelegt. Als Beleg für eine „positive Einstellung zur DDR und SED-Diktatur“ gilt die Anerkennung von Erfolgen der DDR-Sozialpolitik trotz gleichzeitiger Benennung des Demokratiedefizits in der DDR in einem Papier. Eine Kampagne „Milchpulver für Cubas Kinder“ dient in den Augen der Verfassungsschützer der Festigung einer „Diktatur“.
Tatsächlich sagen solche „Belege“ und „Anhaltspunkte“ mehr über das kaum mit dem Grundgesetz zu vereinbarende Weltbild der Verfassungsschützer aus, als über die jeweilige Strömung der Linkspartei. Der Geheimdienst verlangt, dass die Geschichte der Menschheit mit dem Erreichen der kapitalistischen Produktionsstufe zu einem Ende kommt. Wer die real existierenden Unfreiheiten im Kapitalismus überwinden will, um den politischen auch noch wirtschaftliche Grundrechte zur Seite zu stellen, den erklärt das Amt zum Extremisten.
Es ist die Aufgabe des Parlaments, die Exekutive zu überwachen. Doch hier nutzt die Regierung den Geheimdienst zur Bespitzelung und damit zur öffentlichen Diffamierung einer oppositionellen Partei und ihrer Abgeordneten. Für DIE LINKE. ist dieses gegen den Geist des Grundgesetzes gerichtete Vorgehen ein weiterer Beleg für die Demokratiefeindlichkeit des Verfassungsschutzes, dessen Auflösung der beste Dienst für die Demokratie wäre.