Rede im Bundestag: Diskriminierung beenden, Ausländerzentralregister abschaffen

Rede zum Zusatzpunkt 8 der 204. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages, 2. +3. Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Ausländerzentralregistergesetzes (AZR-Gesetz) auf Drucksache 17/11051

Wir reden heute über eine Änderung des Gesetzes über das Ausländerzentralregister, mit der die Speicherung der Daten von EU-Bürgerinnen und Bürgern mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland eingeschränkt werden soll. Das Ausländerzentralregister ist eine wesentliche Säule der datenmäßigen Totalerfassung von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland. Es bestehen insgesamt fast 30 Dateien und Zentralregister, in denen diese Gruppe erfasst wird. Hinzu kommen die Dateien und Datensammlungen der kommunalen Ausländerbehörden und der Zentralen Ausländerbehörden der Länder. Am laufenden Band kommen neue Dateien hinzu, wie die von der Koalition in dieser Wahlperiode beschlossene Visa-Warndatei. Diese Datei zeigt ganz deutlich, dass die zentrale Sondererfassung von Ausländerinnen und Ausländern überflüssig ist – alle Daten sind auch in anderen zentralen Registern und bei den kommunalen Meldebehörden erfasst und verfügbar. Die zentrale Erfassung von Ausländerinnen und Ausländer, viele davon mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland, ist eine Diskriminierung dieser Menschen. DIE LINKE setzt sich deshalb grundsätzlich für die Abschaffung des Ausländerzentralregisters ein.
Nun hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem zumindest die Speicherung der Daten von EU-Bürgerinnen und Bürger mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland eingeschränkt werden soll. Auch diese Einschränkung erfolgt nicht freiwillig. Sie geht zurück auf eine Vorlageentscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der vor einigen Jahren die Frage zu klären hatte, ob die generelle Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten von EU-Bürgerinnen und –Bürgern in einem zentralen Ausländerregister überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist. Die Antwort war ganz eindeutig: es dürfen nur die Daten gespeichert werden, die erforderlich sind, um die Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts in Deutschland festzustellen. Und diese Daten dürfen auch nur dann weitergegeben werden, wenn die mit dieser Feststellung betrauten Behörden sie abfragen.
Diese Beschränkungen werden durch das vorliegende Gesetz weitgehend umgesetzt. Das ist im Sinne der Union-Bürgerinnen und –Bürgern sicherlich zu begrüßen. Bei dieser Gelegenheit hätten aber die insgesamt im Ausländerzentralregister gespeicherten Daten und zugriffsberechtigten Behörden stark eingeschränkt werden müssen. Für alle anderen Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, ändert sich durch diesen Gesetzentwurf nichts. Weiterhin sind neben den Angaben zur Person viele weitere Daten enthalten, beispielsweise zum Verdacht auf Straftaten oder zu Verurteilungen, Lichtbilder, sogar sozialrechtliche Daten. Alle diese Daten gibt es bereits bei anderen Behörden, in deren Zuständigkeitsbereich sie fallen – Polizei, Staatsanwaltschaft, Bundesagentur für Arbeit und Meldebehörden. Eine doppelte und dreifache Speicherung dieser Daten ist überflüssig und aus datenschutzrechtlicher Sicht damit auch nicht verhältnismäßig.
Die genannten Daten sind von anderen Behörden, beispielsweise der Polizei, in einem automatisierten Verfahren abrufbar. Das bedeutet, dass nicht geprüft wird, ob die abrufende Stelle – also die Polizei oder andere – diese Daten auch wirklich zu ihrer Aufgabenerfüllung benötigt. Im Ausländerzentralregister ist sogar vorgesehen, Gruppenauskünfte zu bestimmten Ausländerinnen und Ausländern abrufbar zu halten. Das ist nichts weniger als die rechtliche und technische Grundlage für Rasterfahndungen. Damit sind Ausländerinnen und Ausländer besonders anfällig für Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, die weit in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen.
Das Ausländerzentralregister ist nichts als Diskriminierung per Gesetz. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird diese Diskriminierung für einen Teil der Betroffenen abgemildert – und damit nur neue Diskriminierung geschaffen. Das ist schlicht Murks und sicherlich nicht im Sinne der Entscheidung des EUGH. DIE LINKE lehnt diesen Gesetzentwurf deshalb ab.

(Die Rede wurde nach einer Absprache aller Fraktionen zu Protokoll gegeben.)