Artikel: Guerillataktik von rechts

Das zeigen die von der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der Linksfraktion im Bundestag veröffentlichten Zahlen rechtsextremer Aufmärsche im Jahr 2011. Die Zahl der Teilnehmer solcher Aufmärsche ging demnach im vergangenen Jahr auf 21900 gegenüber 26200 im Jahr davor zurück. Dagegen stieg die Zahl der neofaschistischen Demonstrationen insgesamt um 69 Prozent auf 142 Aufmärsche deutlich an. Allein im letzten Quartal 2011 waren es 18 Aufmärsche mit Teilnehmerzahlen zwischen 20 und 250. Ein inhaltlicher Schwerpunkt dieser Aufmärsche war unter Losungen wie »Ehre, wem Ehre gebührt – Großvater, ich bin stolz auf Dich« die Relativierung der Nazikriegsverbrechen. Bei der Organisation der Veranstaltungen zeichnet sich eine Arbeitsteilung zwischen der NPD und den sogenannten Freien Nazikameradschaften ab, die etwa zu gleichen Teilen für die Durchführung verantwortlich zeichneten.

Deutlich wird an der Übersicht auch: Die Neofaschisten weichen vermehrt in kleinere Orte aus, in denen sie ungestört von antifaschistischer Gegenmobilisierung mit martialischen Auftritten die eigene Stärke demonstrieren wollen. Zum Umdenken in der Neonaziszene kam es insbesondere, nachdem im Februar letzten Jahres bereits das zweite Mal in Folge der größte europaweite Faschistenaufmarsch anläßlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens von einem breiten antifaschistischen Bündnis gestoppt werden konnte. Damals hieß es auf dem Naziportal Altermedia: »Statt mit durchsichtigen und leicht einzuschätzenden Großaufmärschen zu scheitern, sollten wir zu einer Guerilla-ähnlichen Taktik übergehen.«

Die rechte Szene sei unberechenbarer geworden, stellt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bernhard Witthaut fest. Die Aktionen der Neonazis, die häufig über das Internet organisiert werden, zeichneten sich inzwischen durch »weniger Teilnehmer bei den Demonstrationen und einem Anstieg der Gewalt autonomer Nationalisten« aus. Es sei erschreckend, wie Neonazis mitunter regelrecht in eine Kleinstadt einfallen.

Deutlich zeigt sich diese neue Taktik der Rechten gerade an nicht angemeldeten und klandestin vorbereiteten Fackelzügen von Neonazis, die zum Beispiel unter dem Namen »Die Unterblichen« vermummt mit weißen Masken und schwarzen Umzügen zu nächtlicher Stunde in Kleinstädten gegen einen angeblich drohenden »Volkstod« aufmarschieren. Mindestens 18 solcher anschließend im Internet dokumentierten Aufmärsche, deren Schwerpunt in Sachsen liegt, fanden seit Anfang letzten Jahres statt.

Zuletzt marschierten am Freitag 20 maskierte Neonazis mit Fackeln durch das Potsdamer Neubaugebiet Waldstadt. Initiator dieser Aktionsform, die bereits zum zweiten Mal in dem Stadtteil stattfand, ist offenbar das Südbrandenburger Kameradschaftsnetz »Spreelichter« mit seiner gleichnamigen Website. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hat den Aufzug verurteilt. »Aktionen dieser Art treffen nicht nur einen bestimmten Stadtteil, sondern das demokratische Herz der ganzen Stadt«, so Jakobs.

Daß die Neofaschisten über ihre Aktionsformen nachgedacht haben, zeigt sich auch an den bevorstehenden Aufmärschen in Dresden anläßlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten 1945. Nachdem die Aufmärsche der Rechten zunächst jahrelang anwuchsen und weitgehend ungestört abliefen, wurden sie in den vergangenen beiden Jahren durch friedliche Massenblockaden gestoppt. In diesem Jahr haben die Rechten ihren geplanten Großaufzug am 18. Februar zunächst abgesagt, was noch nichts heißen muß. Dafür läuft eine stärkere Mobilisierung für den 13. Februar. Antifaschistische Gruppen und Bündnisse halten an ihrer Mobilisierung fest. Sowohl am 13. als auch am 18. Februar werden die Neonazis mit massenhaften Protest und Blockaden zu rechnen haben.