Rede im Bundestag: Abschiebehaft ist niemals human und verhältnismäßig

Wir beraten heute abschließend einen Gesetzentwurf zur Umsetzung zweier EU-Richtlinien im Aufenthaltsrecht: Zum einen die so genannte Rückführungsrichtlinie, die EU-weit Mindeststandards bei Abschiebehaft und beim Verfahren der Abschiebung schaffen soll. Zum anderen die so genannte Sanktionsrichtlinie, die der Harmonisierung des nationalen Rechts bei der Bekämpfung illegaler Beschäftigung dienen soll. Sie sieht vor: Wer Menschen ohne Aufenthaltstitel beschäftigt, soll Strafe zahlen. Die illegal Beschäftigten sollen mehr Rechte erhalten, gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse vorgehen zu können. Beides soll die Beschäftigung von illegalisierten Migranten unattraktiver machen.

Zu den Gesetzentwürfen hat es eine Anhörung im Innenausschuss gegeben, bei der ein Teil der Sachverständigen deutlich Kritik geübt hat. Bemerkenswerterweise hat die Koalition tatsächlich in Folge der Anhörung minimale Änderungen an ihrem Gesetzentwurf vorgenommen. Bemerkenswert ist das deshalb, weil die Ergebnisse von Anhörungen sonst meist ignoriert werden. Trotz der begrüßenswerten Änderungen ist dieses Gesetz für die LINKE nicht zustimmungsfähig.

Bei der Dauer der Abschiebehaft erweist sich Deutschland weiterhin als besonders repressiv. Die Bundesregierung hat die Gelegenheit versäumt, wenigstens die Höchstdauer der Abschiebehaft auf drei Monate zu verkürzen, wie das z. B. auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst gefordert hat. Es bleibt bei 18 Monaten. Das sieht sonst nur Griechenland vor, das ja auch nicht gerade ein Musterstaat bei der Wahrung der Menschenrechte von Migranten ist. In allen anderen EU-Staaten liegen die Fristen weit darunter. Ich meine, die Abschiebehaft ist aus rechtsstaatlicher Sicht überhaupt keine verhältnismäßige, legitime Maßnahme. Denn es werden ja Menschen in den Knast gesteckt, die überhaupt keine Straftat begangen haben. Und wenn dann sogar Minderjährige und ihre Familienangehörigen, kranke und traumatisierte Menschen, in eine solche Abschiebehaft kommen, spätestens dann ist doch jede Verhältnismäßigkeit hinüber. Der Gesetzentwurf hätte hier klare Grenzen ziehen müssen. So bleibt er hinter den menschenrechtlichen Anforderungen weit zurück. Selbst der Zugang von Hilfsorganisationen zu Abschiebehäftlingen, den die Richtlinie vorsieht, wird im Gesetzentwurf nicht umgesetzt.

Völlig unbefriedigend ist auch die Art und Weise, wie die Sanktionsrichtlinie umgesetzt wird. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung finden sich keine wirksamen Mechanismen für die Durchsetzung von Ansprüchen aus illegalen Beschäftigungsverhältnissen. Dazu würde gehören, dass die Betroffenen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, um Lohnansprüche, aber auch Schadensersatzansprüche gegen ihre Ausbeuter durchsetzen zu können. Aber die Interessen der Opfer sind der Koalition offensichtlich gleichgültig. Eine Aufenthaltserlaubnis erhält nur, wer von Staatsanwaltschaft und Ausländerbehörde als Zeuge für ein Strafverfahren benötigt wird. Der Rest muss gehen, und es spielt keine Rolle, ob sie noch Ansprüche auf vorenthaltenen Lohn oder gar Schadensersatz für Misshandlungen geltend machen wollen. Statt Gerechtigkeit droht ihnen Abschiebehaft und Abschiebung. Der „Bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess“ KOK hat in einer Stellungnahme zurecht von einer „Instrumentalisierung der Betroffenen“ gesprochen, „da nicht das Wohlergehen der Betroffenen, sondern die Effektivität der Strafverfolgung alleiniger Grund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist“. Dieser Bewertung schließen wir uns an.
Ich will am Ende noch einen Punkt herausgreifen, der von den Koalitionsfraktionen noch im letzten Moment geändert wurde. Es ist nun endlich im Gesetz klargestellt, dass Leiter von Schulen und Kindertageseinrichtungen nicht mehr dazu verpflichtet sind, Kinder ohne Aufenthaltsstatus bei der Ausländerbehörde zu denunzieren. Damit können sie ihr Recht auf Bildung ohne Angst vor Entdeckung und Abschiebung wahrnehmen. Doch die Meldepflicht steht noch einer ganzen Reihe anderer Rechte im Weg. Zugang zu Gesundheitsleistungen, Zugang zu Arbeitsgerichten und anderes mehr ist den Illegalisierten verwehrt, weil sie immer Angst vor Entdeckung haben müssen. Die vorgeschlagenen Änderungen gehen auch an dieser Stelle nicht weit genug.

(die Rede wurde nach einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen zu Protokoll gegeben)