Die CDU-Hardliner schießen sich auf die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein. Sie wird als »Bremsklotz« empfunden, weil sie Unionsforderungen, Angriffe auf Polizeibeamte schärfer zu bestrafen, weitgehend gestoppt hat. Leutheusser-Schnarrenberger argumentiert sachlich und nüchtern und droht damit, deutlich zu machen, daß den aufgeregten Rufen nach Gesetzesverschärfungen kaum Substanz zugrunde liegt.
Die Innenminister der Unionsparteien berufen sich auf den aktuellen Zwischenbericht des Kriminologischen Instituts Niedersachsen. Doch das, was CDU/CSU da herauslesen wollen, hat mit dem, was drin steht, kaum etwas zu tun. Zwar weist die Studie einen Anstieg schwerer Angriffe auf Polizisten auf: Um 60 Prozent in den letzten Jahren. Das hört sich viel an. In absoluten Zahlen klingt es weniger dramatisch: 325 Polizisten, von knapp 20000 Befragten, waren voriges Jahr nach Angriffen länger als eine Woche dienstunfähig geschrieben. Das soll nicht kleingeredet werden, aber die Autoren der Studie selbst betonen, daß ihre Zahlen nicht belastbar sind. Sie basieren ausschließlich auf Selbstauskünften und auf einer Stichprobe, an der überdurchschnittlich viele junge Polizisten teilgenommen haben. Genauere Untersuchungen stehen noch aus.
Man darf unterm Strich annehmen, daß die Zahl solcher Angriffe zugenommen hat, und auch, daß die meisten Angriffe von jungen und betrunkenen Männern verübt werden (und nicht von »Linksextremen«, wie mitunter behauptet). Für die Union ist das Grund, einen Sonderstraftatbestand »Angriffe auf Polizeibeamte« einzuführen, der bis zu fünf Jahre Haft vorsieht.
Dabei stehen auf schwere Körperverletzung heute schon drei bis zehn Jahre. Zu Recht verwies Leutheusser-Schnarrenberger gestern darauf, daß Körperverletzung an Polizisten nicht schlimmer ist als an anderen Menschen und es »kein Zweiklassenstrafrecht« geben dürfe. Sie lehnt deswegen einen neuen Straftatbestand ab. Dem Unionsdruck gibt sie dennoch nach und will nun den Strafrahmen für das schon bestehende Delikt »Widerstand« verschärfen: von zwei auf drei Jahre.
Das ist ein unnötiges Entgegenkommen, das die populistischen Unionspläne aufhalten soll. Denn ausgerechnet die Widerstandshandlungen sind im vorigen Jahr, der zitierten Studie zufolge, zurückgegangen.
Und was soll das nützen? Wer testosteron- und alkoholgeladen Gewalttaten verübt, macht das ja gerade nicht mit Planung und denkt in so einem Moment nicht an strafrechtliche Folgen. Geschützt würden damit Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter nicht.
Die Strafverschärfung macht aber das Endziel klar: Die Staatsgewalt zu stärken. Sollte im Hintergrund die Furcht vor sozialen Unruhen stehen?