Rede im Bundestag: Rückschiebungen nach Griechenland stoppen!

Das Bundesverfassungsgericht hat in den vergangenen Monaten in mehreren Fällen entschieden, dass über Griechenland eingereiste Asylbewerber nicht zurückgeschoben werden dürfen. Nach der geltenden Rechtslage müssen Flüchtlinge in dem Staat ihr Asylverfahren betreiben, über den sie in die EU eingereist sind. In sechs Fällen hat das höchste deutsche Gericht die Rückschiebungen per einstweiliger Anordnung ausgesetzt.

Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung keine Veranlassung sieht, von Rücküberstellungen nach Griechenland generell Abstand zu nehmen und das Asylverfahren in Deutschland zu betreiben. Wie eine Kleine Anfrage unserer Fraktion ergeben hat, gibt es ja nicht nur die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Auch zahlreiche Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte haben in die gleiche Richtung entschieden. Sogar das bayerische Staatsministerium des Innern hat angewiesen, von Rücküberstellungen nach Griechenland zunächst abzusehen. Nur die Bundesregierung stellt sich wieder einmal stur und schiebt Asylbewerber ins Elend ab. Denn genau das droht ihnen in Griechenland, weil die Versorgung von Flüchtlingen dort weiterhin die EU- Standards verletzt. Das wird sich angesichts der schweren Haushalts- und Finanzkrise in Griechenland auch erst einmal nicht ändern.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinen Entscheidungen auf diese Zustände im griechischen Asylsystem berufen. Das Gericht hat vor diesem Hintergrund aber auch allgemein Zweifel an der so genannten sichere-Drittstaaten-Regelung geäußert. Nach dieser Regelung gilt ein Asylantrag in Deutschland als unerheblich, wenn der Antragsteller über einen sicheren Drittstaat eingereist ist. Ob dieser Drittstaat im konkreten Fall wirklich sicher ist, wird im Asylverfahren nicht mehr geprüft. Auf dieser Grundlage funktioniert auch das Asyl-System der EU. In diesem Sinne will das Bundesverfassungsgericht seine eigene Rechtsprechung noch einmal grundsätzlich überdenken.

Daran anknüpfend fordert die Fraktion der Grünen nun, dass keine Asylbewerber mehr nach Griechenland überstellt werden sollen. Bis das Bundesverfassungsgericht in der Hauptsache entschieden hat, solle die Bundesrepublik das Asylverfahren durchführen.

Diese Forderung ist in der aktuellen Situation naheliegend und richtig. Aber sie geht am Kern des Problems vorbei. Der liegt ganz woanders: selbst die EU-Kommission musste inzwischen einräumen , dass die EU weit davon entfernt ist, ein harmonisches Asylsystem geschaffen zu haben, das wirklich allen Flüchtlingen in jedem Land gleiche Chancen bietet, erfolgreich ein Asylverfahren zu durchlaufen. Die Zahlen sind ja bekannt: Während beispielsweise Tschetschenen in einigen EU-Staaten keine Chance auf Asyl haben, werden sie in anderen Ländern als Flüchtlinge anerkannt. Auch bei irakischen Flüchtlingen gibt es EU-weit ganz unterschiedliche Anerkennungsquoten. Davon abgesehen gibt es für jeden Flüchtling auch andere gute Motive, sich ein bestimmtes Land als Aufnahmeland auszusuchen.
DIE LINKE hat aus all diesen Gründen bereits in der letzten Legislaturperiode gefordert, das Asylsuchende ihr Aufnahmeland eigenständig aussuchen können. Damit soll auch dem Problem begegnet werden, dass Staaten an den Außengrenzen der EU, die sich mit der Zahl der Asylsuchenden in ihrem Land überfordert sehen, nicht zu einer äußerst restriktiven Anerkennungs- und Aufnahmepraxis greifen, um weitere Flüchtlinge abzuschrecken.

Die Bundesregierung, sowohl die letzte als die amtierende, betätigt sich auf europäischer Ebene als Bremserin des Ausbaus eines harmonisierten europäischen Asylsytems. Beispielsweise hat sich Wolfgang Schäuble in die Phalanx derer eingereiht, die aus dem Europäischen Asylbüro einen zahnlosen Papiertiger gemacht haben. Die Äußerungen seines Nachfolgers lassen vermuten, dass die Misere des europäischen Asylsystems weitergehen wird.

Der Antrag der Fraktion der Grünen ist uns in diesem Sinne nicht weitgehend genug. Jenen Schutzsuchenden, denen die Rückschiebung nach Griechenland droht, muss selbstverständlich geholfen werden. Das kann aber die Weiterentwicklung des Flüchtlingsschutzes in der Europäischen Union nicht ersetzen.