Artikel: Politik für Stammtische

Auf breite Ablehnung treffen seine Vorschläge, den Strafvollzug für Jugendliche generell zu verschärfen und straffällig gewordene Ausländer schneller abzuschieben, dagegen in den anderen Parteien. Auch Anwälte, Richter und Kriminologen haben solche Ansinnen zurückgewiesen. Neben SPD und FDP sprachen sich am Donnerstag auch der Deutsche Richterbund und der Anwaltsverein gegen »Warnschußarrest«, Erziehungscamps und schnellere Abschiebungen aus.

Koch verteidigte am Donnerstag seinen Vorstoß. Im Südwestrundfunk sagte er, die demokratischen Parteien dürften solche Themen nicht »radikalen Parteien« überlassen. »Kriminelle Ausländer« sollen nach Kochs Vorstellungen künftig bereits das Land verlassen müssen, wenn sie zu einer Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden. Derzeit liegt die Grenze bei drei Jahren. Die Ausweisungsbestimmungen waren erst im Herbst 2007 verschärft worden.

Dagegen bekräftigte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann im ZDF-Morgenmagazin, man sehe »keinen Bedarf für gesetzliche Änderungen«. Der Richterbund kritisierte die Debatte als überflüssig. In der Neuen Osnabrücker Zeitung (Donnerstagausgabe) erklärte der Vorsitzende Christoph Frank: »Die Formel härtere Strafen gleich höhere Abschreckung gleich weniger Straftaten ist schlicht falsch.«

Der Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Hans-Jörg Albrecht, sagte bereits am Mittwoch, Kochs Vorschläge seien »abwegig«. Und der Leiter des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, berichtete in einem Fernsehinterview, in den USA sei die Rückfallquote von Insassen der »Boot-Camps« höher als bei zu Bewährungsstrafen verurteilten Straftätern. Er verwies auch darauf, daß die Kriminalität von Jugendlichen in Deutschland in den letzten zehn Jahren zurückgegangen ist. Die Zahl der Kapitaldelikte wie Mord und Totschlag reduzierte sich um 30 Prozent, bei Raub weist die Statistik 20 Prozent weniger Taten aus. Entscheidend ist aber laut Pfeiffer, daß überall dort, wo Jugendliche mit Migrationshintergrund schulisch gut integriert sind, die Kriminalität deutlich zurückgeht. Sein Fazit: »Wir müssen mehr in Schulen statt in Gefängnisse investieren.«

Dessenungeachtet forderte der Hamburger Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) am Donnerstag, die Untersuchungshaft für jugendliche Straftäter verschärfen. Dafür werde man demnächst eine Gesetzesinitiative vorlegen, sagte er dem Hamburger Abendblatt. Ein schärferes Jugendstrafrecht war im Herbst 2005 bereits Gegenstand der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD. Damals einigten sich die Parteien auf die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen, ein entsprechender Gesetzentwurf liegt mittlerweile vor. Dies zeigt, daß CDU/CSU und SPD offenbar nicht gewillt sind, Statistiken und Expertenmeinungen ernstzunehmen.