Artikel: Entmündigt

Vermögenseinzug bei Flüchtlingen.

Gastkommentar von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt am 22.01.2016)
 
In der Schweiz und in Dänemark müssen Flüchtlinge bei Einreise einen Großteil ihres mitgeführten Bargeldes an die Polizei abliefern. Als diese Regelung in Dänemark eingeführt wurde, stieß dies noch auf internationale Proteste. Doch wie jetzt bekanntwurde, nehmen auch süddeutsche Behörden Flüchtlingen bei der Ankunft in Aufnahmeeinrichtungen Bargeld und Wertsachen ab. In Bayern kann bei einem Flüchtling alles über einen sogenannten Selbstbehalt von 740 Euro hinausgehende Vermögen konfisziert werden, in Baden-Württemberg liegt dieser Satz sogar nur bei 350 Euro. Die Schweiz lässt Flüchtlingen mit 1.000 Franken rund das Dreifache.Konfisziert werden kann das mitgeführte Vermögen eines Flüchtlings laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, wenn »ein Erstattungsanspruch gegen eine Person besteht oder erwartet wird«. Der CSU-Politiker meint damit offenbar, dass die Gelder als präventive Sicherheitsleistung zur Begleichung eventueller Verfahrenskosten oder Strafen einbehalten werden. Ein solches Vorgehen erscheint unterdessen fragwürdig. So werden Verfahren wegen unerlaubter Einreise, die gegen illegal ins Land gekommene Flüchtlinge grundsätzlich eingeleitet werden, nach Beantragung von Asyl ohnehin eingestellt, so dass hier keine Strafen zu erwarten sind. Und bereits bei der Einreise Gelder einzubeziehen, um die Kosten einer möglichen späteren Abschiebung zu begleichen, erscheint ebenfalls unverhältnismäßig. Denn wer Asyl beantragt, nutzt ein Grundrecht. Und das darf nicht mit Kosten für den Antragsteller verbunden sein – auch nicht im Ablehnungsfall.

 Eine sozialrechtliche Begründung für die Einziehung des Vermögens von Flüchtlingen liefert die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD): »Wer bei uns einen Asylantrag stellt, muss vor der Hilfegewährung grundsätzlich sein Einkommen und Vermögen aufbrauchen.« In der Tat ist es im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen, dass ein Flüchtling zunächst sein eigenes Geld aufbraucht, bevor er einen Anspruch auf öffentliche Zuwendungen hat. Doch sollte daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass ein Flüchtling gleich sein Geld abgeben muss, um es mit staatlichen Leistungen zu verrechnen. Auch ein Bezieher von ALG II – dessen Selbstbehalt deutlich über dem eines Flüchtlings liegt – darf sein Vermögen schließlich erst einmal eigenverantwortlich aufbrauchen, ehe er staatliche Leistungen bezieht. Flüchtlingen auch noch den Familienschmuck abzunehmen, erscheint besonders herzlos, bedenkt man, dass es sich dabei oftmals um die wenigen Erinnerungsstücke an zurückgelassene Angehörige handelt.

Anstatt Flüchtlinge durch die Einziehung ihres Vermögens weiter zu entmündigen, sollten diese das Recht auf Arbeit von Anfang an erhalten. Dann könnten sie mit eigenem Verdienst zur Deckung der Kosten ihres Lebensunterhalts beitragen.