Bundesregierung sieht rot

Aktivität von Gefangenensolidaritätsverein als »bedeutsame linksextremistische Bestrebung« gewertet. Verbotsforderungen aus der CDU

Von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt vom 27.7.2018)

Geht es um die strömungsübergreifende linke Solidaritätsorganisation »Rote Hilfe« (RH), dann sieht die Bundesregierung rot. Als »bedeutsame linksextremistische Bestrebung« sei die RH regelmäßig Gegenstand von Erörterungen zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), heißt es in einer nun vorliegenden Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion. Im April hatte der Obmann der CDU im Bundestagsinnenausschuss, Armin Schuster, »angesichts der massiv rechtsstaatsfeindlichen Aktivitäten« des Vereins sogar die Prüfung eines Verbots gefordert. Ob es solche Überlegungen auch in der Regierung gibt, will das Bundesinnenministerium nicht sagen. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu vereinsrechtlichen Maßnahmen, heißt es in seiner Stellungnahme.

Als Beleg für die »verfassungsfeindliche Grundausrichtung der RH« führt das Ministerium die RH-Solidaritätskampagne »United We Stand!« mit von Repressalien und Strafverfolgung betroffenen Teilnehmern der Proteste gegen den Hamburger G-20-Gipfel im Juli vergangenen Jahres an. Schon vor dessen Beginn habe die RH vor einem »Gipfel der Repression« gewarnt und die Hamburger Polizei und Justiz vehement kritisiert. Mit der Einrichtung eines Spendenkontos für von Repression Betroffene habe sich die RH »nicht nur auf die Unterstützung von legitimen Protesten beschränkt«, schreibt das Innenministerium. Vielmehr habe sie auch »potentiellen Straftätern auch aus extremistischen Kreisen finanzielle und moralische Unterstützung für den Fall strafrechtlicher Verfolgung zugesichert«. Weiter heißt es aus dem von Horst Seehofer (CSU) geführten Ressort, die RH habe Unterstützungsleistungen daran knüpft, dass ein von staatlicher Repression Betroffener »kein Unrechtsbewusstsein im Hinblick auf das von ihm begangene strafbare Handeln zeigt, sondern dieses vielmehr als politisch legitimes Mittel im Kampf gegen den Staat verteidigt«.

Die »extremistische Ausrichtung« der RH zeige sich auch darin, dass die Organisation in ihrer Zeitung das deutsche Rechtssystem als Instrument der »politischen Unterdrückung« und der »Gesinnungsjustiz« diskreditiere. Polizeiliches Handeln und gerichtliche Entscheidungen stelle sie »grundsätzlich als willkürlich und grundrechtswidrig« dar oder sehe eine Aufhebung der Gewaltenteilung. »Indem die RH ihre Kritik an der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung mit der moralischen, ideologischen und finanziellen Unterstützung von Personen verknüpft, die sich durch die Begehung bestimmter Straftaten aktiv gegen die bestehende Verfassungsordnung wenden, geht sie über den Bereich einer zulässigen Verfassungskritik hinaus«, resümiert das Innenministerium. Weiter heißt es in seiner Antwort, die RH zeige durch die »Bewertung strafbarer Handlungen von politischen Gesinnungsgenossen gegen die bestehende Staats- und Verfassungsordnung als Ausdruck ›demokratischen‹ Widerstands sowie Solidaritätsbekundungen mit inhaftierten terroristischen Gewalttätern, etwa aus der ›Roten Armee Fraktion‹ (RAF)«, ihre »Bereitschaft zur aktiven Umgestaltung der bestehenden Verfassungsordnung hin zu einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren sozialistisch-kommunistischen Staatsordnung«.

Mit Birgit Hogefeld ist die letzte inhaftierte frühere RAF-Militante allerdings bereits 2011 freigekommen. Zudem war die RH zwar immer gegen die Isolationshaft der RAF-Gefangenen eingetreten. Doch gemäß ihres strömungsübergreifenden Selbstverständnisses hatte sie die Methoden der Stadtguerilla ebensowenig gerechtfertigt oder kritisiert wie andere Formen politischen Widerstands. Das behauptete Ziel einer »kommunistischen Staatsordnung« dürfte von vielen der laut Verfassungsschutz 8.300 Mitglieder nicht geteilt werden. Denn neben zahlreichen Sozialisten und Kommunisten finden sich Autonome, Antifaschisten, Queerfeministinnen, Tierrechtsaktivisten, Anarchisten, Gewerkschafter und der eine oder andere Juso und linke Sozialdemokrat in den Reihen der Roten Hilfe. So unsinnig die Vorwürfe aus dem Bundesinnenministerium erscheinen, sollten sie von dem Verein dennoch nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Denn so können in der Tat Verbote hergeleitet werden.