Rede: Flüchtlingsschutz ist in erster Linie eine staatliche Verpflichtung

Rede zu Protokoll zu TOP 38 der 237. Sitzung des Deutschen Bundestages, 01.06. 2017

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung gebührenrechtlicher Regelungen im Aufenthaltsrecht

Drucksache 18/12050

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)

Drucksache 18/12402

 

 

Die Bundesregierung will die Gebührenordnung im Aufenthaltsrecht ändern, genauer gesagt: Sie will die Gebühren im Ergebnis massiv erhöhen, angeblich um die Kommunen zu entlasten.

Das hört sich zunächst richtig und nach einem simplen Verwaltungsvorgang an. Dieser spiegelt aber zugleich Unstimmigkeiten und Probleme des Aufenthaltsrechts selbst, und auch des Umgangs mit Flüchtlingen in Deutschland. Das vorliegende Gesetz lehnt die Fraktion DIE LINKE ab, weil es an den eigentlichen Problemen überhaupt nichts ändert. Es belastet insbesondere Geflüchtete, nützt aber den Kommunen kaum, die die Masse der Verwaltungsarbeit leisten.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Gebühren bislang viel zu niedrig angesetzt, so dass etwa für die Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer oder für Duldungen oder für die Befristung eines Einreiseverbotes weniger Gebühren erhoben werden, als die Verwaltungskosten hierfür tatsächlich betragen. Im vorigen Jahr sind die Kommunen deswegen auf 12 Millionen Euro sitzen geblieben.

Im Prinzip ist der Ansatz, dass Gebühren kostendeckend sein sollen, zwar verständlich. Ich gebe aber zu bedenken: Wir reden hier ja nicht von Verwaltungsvorgängen, die von den betroffenen Ausländerinnen Ausländern nach Lust und Laune veranlasst werden. Eine Familie, die zwar ausreisepflichtig ist, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen aber nicht abgeschoben werden kann, ist ja nicht selbst schuld daran, dass sie hier regelmäßig eine Duldung beantragen muss.

Der Preis für eine Duldung soll sich nach dem Willen der Bundesregierung jetzt aber verdoppeln, so dass eine Erstduldung 58 Euro und jede Verlängerung bis zu 30 Euro kostet. Dabei muss man jedoch eines berücksichtigen: Die Duldungszeiträume werden aus politischen Gründen oftmals sehr kurz gehalten, manchmal auf einen Monat begrenzt. Durch diese staatlich veranlasste Abschreckungspolitik werden die Betroffenen dazu gezwungen, alle paar Wochen oder Monate diesen Verwaltungsakt zu beantragen. Dafür müssen die Behördenmitarbeiter natürlich Arbeitszeit aufwenden, was für die Kommunen Mehrausgaben bedeutet.

Aber hier muss man zwei Sachen anmerken:

Zum einen handelt es sich bei dem von der Bundesregierung gewählten Ansatz, einfach die Gebühren zu erhöhen, um die kommunalen Haushalte zu entlasten, um eine Milchmädchenrechnung. Denn die Geduldeten, die hier vom Asylbewerberleistungsgesetz leben müssen, verfügen meist gar nicht über die erforderlichen Finanzmittel. Für sie springt in der Regel das Sozialamt ein – also im Ergebnis wiederum die Kommune, die ihre Ausgabeposten lediglich umschichten kann, aber am Ende doch darauf sitzen bleibt.

Zum anderen zeigt sich hier die grundsätzliche Problematik, im Aufenthaltsrecht den Grundsatz der Kostendeckung einzufordern. Denn ein großer Anteil der Kosten resultiert ja aus Umständen, für die nicht die Betroffenen, sondern „der Staat“ verantwortlich ist. Die Personalkosten bei den kommunalen Behörden werden teilweise nur dadurch in die Höhe getrieben, dass das Aufenthaltsrecht nur so wimmelt von komplexen, teilweise auch unklaren Regelungen, von einer Vielzahl von Ausnahmetatbeständen usw. Das macht die Bearbeitung und Prüfung der jeweiligen Anträge aufwändig, langwierig und damit auch teuer. Eine klarere Gesetzgebung und vereinfachte Vorschriften würden die Bearbeitung erleichtern und damit billiger machen.

DIE LINKE hat stets die Auffassung vertreten, dass die Kommunen von den Aufgaben der Flüchtlingsaufnahme und –versorgung effektiv entlastet werden müssen, weil der Flüchtlingsschutz in erster Linie eine staatliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland ist. Um diese Entlastung wirklich zu erreichen, braucht es aber ein anderes Instrument als das von der Bundesregierung gewählte. Hier muss grundsätzlich darüber nachgedacht werden, den Bund mehr in die Pflicht zu nehmen.

Ich will abschließend noch darauf hinweisen, dass auch der Normenkontrollrat einige kritische Anmerkungen zu diesem Gesetz formuliert hat, die in eine ähnliche Richtung gehen wie unsere Kritik. So hat er formuliert:

„Durch Rechts- und Verwaltungsvereinfachung könnten die Vollzugsträger auch auf der Aufwandsseite entlastet werden. Sofern dies zu spürbar weniger Vollzugsaufwand führt, könnten perspektivisch Gebühren auch wieder gesenkt werden.“

Der Kontrollrat hat weiter ausgeführt, es müsste „zum generellen Prinzip erhoben werden, vor einer Gebührenerhöhung zunächst das Vereinfachungspotential in den Verwaltungsverfahren auszuschöpfen. Anstatt Gebühren in Folge aufwändiger Verwaltungsverfahren zu erhöhen, sollten Gesetzgeber und Vollzugsträger mehr Augenmerk auf schlankere Verfahren legen.“

Dem kann ich mich nur anschließen. Das würde in der Praxis bedeuten: Das Aufenthaltsrecht gründlich vereinfachen, und zwar im Sinne der hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer.

Einen konkreten Vorschlag hierfür, etwa bei der Duldungserteilung, hat die Fraktion DIE LINKE schon vor Jahren gemacht: Nämlich langjährig Geduldeten endlich ein dauerhaftes Bleiberecht anbieten. Wer seit Jahren hier lebt und voraussichtlich auch noch weiter geduldet werden muss – aus rechtlichen oder humanitären Gründen –, der soll endlich Sicherheit bekommen. Die beschlossene Bleiberechtsregelung ist nach allen bisherigen Praxiserfahrungen zu restriktiv und weitgehend unwirksam.

Das wäre im Interesse der Flüchtlinge selbst, aber auch der Kommunen. Und zwar nicht nur, weil sie auf die ewige Wiederholung der Duldungsverlängerung verzichten könnten, sondern auch, weil die Flüchtlinge erst durch ein Bleiberecht eine reale Chance erhalten, sich in die Kommune, in der sie leben, erfolgreich zu integrieren und unabhängig von staatlichen Hilfsleistungen zu leben.