Abschottungslager

EU plant Vorverlagerung des Flüchtlingsregimes.

(Kommentar in junge Welt, 13. März 2015).

Die Innenminister der EU holen eine alte Idee wieder aus der Mottenkiste: Sie wollen Flüchtlinge, die auf dem Weg nach Europa sind, schon weit außerhalb der EU abfangen. Beim Innenministertreffen gestern in Brüssel blieb eigentlich nur noch offen, wo man die Internierungs-, pardon: »Auffang«-Lager am besten installieren sollte. Zur Sprache kamen Libanon und Niger, aber auch Ägypten.

In Deutschland hatte Otto Schily, SPD-Polizeiminister, erstmals 2004 solche Pläne vorgestellt, mit Fokus auf Nordafrika. Dort wollte er alle Flüchtlinge sammeln und die Asylverfahren durchführen. Auch jetzt ist die Grundidee die des Aussiebens: In den Lagern soll entschieden werden, wer in die EU kommen darf und wer draußen bleiben muss.

Keine Schikane ohne schönklingende Begründung. Die EU-Minister tönen, ihr Projekt sei humanitär inspiriert, um Schleusern das Handwerk legen zu können. Und es ist ja in der Tat erschreckend, mit welchen skrupellosen Methoden Flüchtlinge ausgebeutet und in höchste Lebensgefahr gebracht werden.

Erstes Problem dabei: Die EU will partout nicht wahrhaben, dass sie selbst es ist, die Flüchtlinge in die Hände solcher Schleuser zwingt. Denn die lebensgefährliche und illegale Fahrt übers Meer könnte ganz einfach vermieden werden: Wenn die EU legale Formen der Einreise schaffen würde. Das aber kommt für die Architekten der »Festung Europa« überhaupt nicht in Frage.

Zweites Problem: Egal ob Niger, Libanon oder Ägypten – an rechtsstaatliche Verfahren wäre in den Lagern überhaupt nicht zu denken. Selbst der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach gibt zu bedenken, dass über Asylanträge nur in Deutschland entschieden werden kann, wo dann gegebenenfalls auch Rechtsmittel möglich sind. Aber in den Lagern könnten Flüchtlingen „Ratschläge“ erteilt werden, ob ein Asylbegehren überhaupt Erfolg verspräche. Das ist nichts weiter als der Versuch, das Asylrecht faktisch zu unterlaufen.

Drittes Problem: Solche Abschottungslager helfen niemandem. Einem kleinen Teil derjenigen, denen die Lagerverwaltung die Weiterreise nach Europa gestattet, mag es eine ungefährliche Flucht in die EU ermöglichen. Man kann sich schon denken, dass davon am ehesten gut ausgebildete Fachkräfte profitieren werden und nicht diejenigen, die am ärmsten dran sind. Für alle anderen sind die Lager allenfalls Umwege. Einem Flüchtling, der dort nicht weiterkommt, bleibt nichts anderes übrig, als es dann doch mit Hilfe von Schleusern zu versuchen – so wie bisher, mit dem gleichen tödlichen Risiko.

Die Lagerpläne sind ein Versuch, die EU noch hermetischer zu verriegeln und Flüchtlinge noch mehr abzuschrecken. Damit hält die EU daran fest, Tausende von Menschen in Not weiterhin in den Fluten des Mittelmeeres zu opfern.