Diese Verstärkung wollen wir nicht: Polizeiabkommen mit Polen nachverhandeln!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linke hat überhaupt nichts dagegen, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in den Grenzregionen zu verbessern. Das gibt das Bundesinnenministerium ja als Ziel des neuen deutsch-polnischen Polizeiabkommens an. Wir haben auch nichts dagegen, wenn die Polizisten aus Frankfurt/Oder enger mit den Kollegen aus dem benachbarten Slubice zusammenarbeiten. Aber ich werde doch sehr stutzig, wenn ich im Vertragstext lese – Zitat –:

Grenzgebiete im Sinne dieses Abkommens sind

die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und der Freistaat Sachsen.

Herr Staatssekretär, haben Sie sich einmal die Landkarte angesehen? Schwerin, Potsdam, Leipzig sind ein ganzes Stück von der polnischen Grenze entfernt, und einen polnisch-berlinischen Grenzübergang gibt es nicht.

Aber nicht nur in geografischer Hinsicht ist der Vertrag aus Sicht der Linken viel zu weitgehend. Zum Umfang der polizeilichen Zusammenarbeit gehört nach den Plänen der Bundesregierung – dazu haben Sie nichts gesagt – auch die Abwehr von Flüchtlingen. Das klingt sehr nach Frontex, wenn es dort heißt – ich zitiere -:

Informationen über die Routen und das Ausmaß illegaler Migration sowie über Migrationsphänomene …

sollen ausgetauscht werden. Im Vertragstext wird die Flüchtlingsproblematik im Übrigen mit allen möglichen Verbrechen auf eine Ebene gestellt: Diebstahl, Waffenschmuggel, um nur einige zu nennen. Doch Flüchtlinge sind kein kriminalistisches und polizeiliches Problem; sie sind eine humanitäre Herausforderung für uns alle. Das sollten wir endlich einmal begreifen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Vertrag erleichtert den Einsatz von Polizisten beider Länder bei Großereignissen im jeweiligen Nachbarland. Nun mag es bei internationalen Fußballspielen sinnvoll sein, ein paar sprachkundige Polizisten aus dem Nachbarland dabeizuhaben. Das gibt es aber auch längst ohne dieses Abkommen, über das wir heute diskutieren. Hier werden jetzt vielmehr zusätzliche hoheitliche Befugnisse eingeräumt. Das heißt, ausländische Polizisten erhalten das gleiche Recht zum Beispiel zum Schlagstockeinsatz wie die inländischen. Dafür sehen wir überhaupt keinen legitimen Bedarf. Wollen Sie polnische Polizisten zum Beispiel zum 1. Mai nach Berlin holen, wenn hier demonstriert wird? Warum Sie Berlin zu einem Grenzgebiet von Polen erklärt haben, müssen Sie wirklich einmal erklären. Wir brauchen diese Art von Verstärkung nicht und wollen sie auch nicht.

Ein weiterer, höchst kritischer Punkt ist die Einbeziehung des polnischen Inlandsgeheimdienstes ABW. Der ist wie sein deutsches Pendant demokratisch weitgehend unkontrollierbar und neigt zu Rechtsbrüchen. Im vergangenen Sommer hat der ABW zum Beispiel die Redaktion einer polnischen Zeitung gestürmt. Er wollte Daten über Informanten beschlagnahmen, die heikle Gespräche zwischen polnischen Spitzenpolitikern öffentlich gemacht hatten. Von Pressefreiheit scheint der ABW offenbar nicht viel zu halten.

Und dieser Geheimdienst soll nun per Vertrag das Recht bekommen, verdeckte Ermittlungen auch in Deutschland durchzuführen?

(Zuruf von der CDU/CSU: In unserem Interesse!)

Wir haben damit sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Ich will hier nur an den Fall des britischen Polizisten Mark Kennedy erinnern, der jahrelang in der linken Szene gespitzelt hat. Sicher, es gibt andere Phänomenbereiche, bei denen im Einzelfall durchaus eine verdeckte Ermittlung sinnvoll sein kann – aber durch die Polizei und nicht durch die Geheimdienste. Wenn dieser Praxis hier eine Blankovollmacht erteilt werden soll, lehnen wir das strikt ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sehen generell nicht ein, wieso unsere Polizeibehörden so eng mit dem polnischen Inlandsgeheimdienst kooperieren sollen. Die Linke plädiert dafür, auch in diesem Vertrag das Gebot der Trennung von Polizei und Geheimdiensten auf jeden Fall zu berücksichtigen.

Unterm Strich halten wir fest: Die Bundesregierung hat bislang nicht überzeugend klargemacht, warum dieses Abkommen überhaupt notwendig ist. Wir können Sie nur auffordern, mit der polnischen Seite nachzuverhandeln. Legen Sie dann einen Vertrag vor, der tatsächlich den Interessen der Bevölkerungen beider Länder entspricht – ohne Geheimdienste und ohne Flüchtlingsabwehr.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)