Antiterrordatei abschaffen – Polizeilich-geheimdienstliche Zusammenarbeit auf den Prüfstand

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Antiterrordateigesetzes und anderer Gesetze
Drucksache 18/1565
17. Oktober 2014

Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Urteil zur Antiterrordatei hat das Bundesverfassungsgericht nicht zum ersten Mal die allzu weit ausgedehnten Kompetenzen von Polizei und Geheimdiensten wieder einschränken müssen. Das vorliegende Änderungsgesetz der Bundesregierung ist nichts weiter als eine dürftige Flickschusterei. Nicht einmal die offensichtlichsten Verfassungsverstöße werden kaschiert. Die Linke lehnt diesen Gesetzentwurf ab, weil er zur Bekämpfung des Terrors nichts beiträgt, aber den Grundrechten weitere Ketten anlegt.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Mehrere Sachverständige haben bei der Anhörung im Innenausschuss schon darauf hingewiesen, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht umgesetzt werden. Dafür einige Beispiele:

Karlsruhe hat gefordert, bei sogenannten Kontaktpersonen nur die Elementardaten zu speichern. Aber statt sich auf die Daten zu beschränken, die wir alle im Personalausweis haben, sollen weiterhin auch Handynummern, E-Mail-Adressen und berufliche Anschriften erfasst werden, obwohl Kontaktpersonen weder Beschuldigte – sie sind also Unschuldige – noch Verdächtige sind.

(Clemens Binninger (CDU/CSU): Aber ich muss sie doch erreichen können! Da brauche ich die Telefonnummern, Frau Kollegin!)

Weiterhin sollen Personen gespeichert werden, die eine den Terror unterstützende Organisation unterstützen. Was genau das Unterstützen von Unterstützern bedeuten soll, weiß kein Mensch und wird im Gesetz auch nicht weiter ausgeführt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Gerold Reichenbach (SPD): Aber die Änderungsanträge haben Sie schon gelesen, oder?)

Weiter: Die Datei soll Personen umfassen, die Gewalthandlungen durch bloßes Befürworten hervorrufen. Da bleibt schon unklar, was genau ein „Befürworten“ eigentlich sein soll. Ist hier die Rede von Gewaltaufstachelung oder von Sympathiebekundungen? Können Ursachenbeschreibungen erfasst werden? Und wie bitte soll ein kausaler Zusammenhang mit einem Terroranschlag bewiesen werden?

Das sind Gummiparagrafen. Sie sind ein Freibrief für die Geheimdienste, Personen bei noch so geringen Anhaltspunkten zu speichern. Mit sauberer Gesetzgebungsarbeit hat das wirklich nichts mehr zu tun.
(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es kommt noch schlimmer: Der Entwurf der Regierung sieht einen völlig neuen Paragrafen vor, der alle Grundrechtsverstöße der alten Fassung in den Schatten stellt. In sogenannten Projektdateien sollen die Daten miteinander verknüpft und quasi experimentell miteinander kombiniert werden. Das heißt, die Daten werden für einen ganz anderen Zweck genutzt als für den, zu dem sie ursprünglich erhoben wurden. Das ist ein ganz klarer Verstoß gegen den Grundsatz der Zweckbindung.
Hier wird nach einer Salamitaktik verfahren. Die ursprüngliche Begründung für die Datei war ja, sie solle Schwierigkeiten beim Informationsaustausch zwischen Polizei und Geheimdiensten beheben. Kaum hat man die Datei, weckt sie Gelüste auf noch mehr Datenaustausch, und das bedeutet: weitere Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Die Kritik an der Antiterrordatei gilt im Grundsatz auch für die Rechtsextremismusdatei, die wir ja heute hier ebenfalls behandeln. Die Linke ist dafür, Terrorismus und Nazis zu bekämpfen – keine Frage -, nur: Die Bundesregierung ist dem Parlament bislang jeden Nachweis schuldig geblieben, dass diese Dateien tatsächlich ein effektives Instrument gegen den Terror sind. Deswegen sagt die Linke: Wir hatten in den letzten Jahren schon viel zu viele sogenannte Sicherheitsgesetze, die in Wahrheit nur Freiheitseinschränkungen waren. Damit muss wirklich endlich Schluss sein.
(Beifall bei der LINKEN)

Ohnehin würde ein bloßes Herumdoktern am Gesetz nicht genügen. Das Verfassungsgericht hat ein informationelles Trennungsprinzip zwischen Polizei und Geheimdiensten festgeschrieben, und mehrere Sachverständige haben die Konsequenzen daraus angesprochen: Der Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und BKA muss eingeschränkt werden. Der ganze Komplex der polizeilich-geheimdienstlichen Zusammenarbeit muss auf den Prüfstand, weil er, gelinde gesagt, verfassungsrechtlich auf Kante genäht ist.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)