Kommentar: Asyl als Kriegswaffe

Die westliche Wertegemeinschaft läßt nichts aus: Nicht nur, daß sie durch Waffenexporte brutale Diktaturen unterstützt, Kriege befeuert und Hunderttausende Menschen zur Flucht vor Hunger und Gewalt zwingt – auf Wegen, deren Ende viele nicht lebend erreichen. Sie mißbraucht auch noch das Asylrecht, um durch ihre Geheimdienste die wenigen Flüchtlinge auszuquetschen, die es bis hierher geschafft haben.

Im Fokus der Geheimdienste stehen offenbar vor allem Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Somalia. Sie erwarten von diesen Flüchtlingen eine Vielzahl von Informationen: Auskünfte über militärisch-politische Akteure, die den westlichen Staaten ein Dorn im Auge sind; Angaben zu Lebensgewohnheiten von Rebellenführern, mitunter auch deren Handynummern; Berichte über die Stimmung in ihren Heimatdörfern. Solche Informationen dienen der »Verbesserung« der eigenen militärischen und geheimdienstlichen Aktivitäten. Aber letzlich sollen sie weitere Terrorangriffe mit Drohnen, Bomben und Bodentruppen vorbereiten.

Denn die Informationen der abgeschöpften Flüchtlinge bleiben ja nicht beim BND, sondern gelangen zum amerikanischen »Partner«. Dessen Agenten, genauso wie jene des britischen Geheimdienstes, sitzen, getarnt als »Praktikanten«, mit am Tisch oder führen die Befragungen gleich allein durch. Die Telefonnummer des Al-Schabab-Führers, die ein somalischer Flüchtling womöglich preisgegeben hat, wird zum Instrument, den Rebellenchef zu orten und ihm eine Drohne ins Haus zu jagen; zivile »Kollateralschäden« werden wie immer mit eingeplant. Die Dorfbevölkerung, die nach Angaben eines afghanischen Flüchtlings womöglich mit den Taliban kooperiert, muß ebenfalls mit »gezielten Tötungen«, wenn nicht gar mit kollektiven »Bestrafungsaktionen« der NATO oder ihrer örtlichen Komplizen rechnen. Das Asylrecht, eigentlich Ausdruck einer zutiefst humanitären Gesinnung, wird zum Instrument der Kriegführung entstellt.

Nicht immer wissen die Flüchtlinge, vom wem sie da eigentlich ohne Beistand von Rechtsanwälten befragt werden. Oft genug dürften sie vermuten, es handele sich um eine Anhörung des für Asylanträge zuständigen Bundesamtes. Mitunter tarnen sich die Befrager auch als Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Die Frage, wie »freiwillig« diese Befragungen eigentlich sind, kann dahingestellt bleiben, weil es sich in jedem Fall darum handelt, die Notlage von Flüchtlingen schamlos auszunutzen.

Eine andere Frage drängt sich allerdings auf: Woher weiß der BND überhaupt, welche Flüchtlinge für ihn interessant sein könnten? Wird er von der Asylbehörde unterrichtet, obwohl die Asylverfahren vertraulich sein sollen? Schöpft er die Behörde eigenmächtig und illegal ab? Die lange Liste der Geheimdienstskandale ist um einen Punkt länger geworden.