Artikel: Helis gegen Hooligans

Hu, Hu, Hubschraubereinsatz« skandieren Fußballfans gern, wenn sie den Verdacht hegen, daß ein gegnerischer Spieler eine Verletzung nach einem Foul nur vortäuscht. Zu Hubschraubereinsätzen der Polizei gegen gewalttätige Fußballfans kommt es tatsächlich regelmäßig, wie die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zum »Hubschrauberunglück bei einer Polizeiübung gegen Fußballrandale« im März in Berlin angab. Innerhalb des letzten halben Jahres wurden demnach bundesweit in acht Fällen Einsatzbeamte von Hubschraubern gegen gewalttätige Fußballfans abgesetzt.

Am 21. März 2013 war ein Pilot getötet worden, als zwei Helikopter bei einer Übung der Bundespolizei mit rund 400 Beamten im dichten Schneetreiben vor dem Berliner Olympiastadion zusammenstießen. »Im bahnpolizeilichen Aufgabenbereich der Bundespolizei sind Einsatzanlässe im Zusammenhang mit bahnreisenden Fußballfans dynamisch«, rechtfertigt die Regierung die grundsätzliche Notwendigkeit solcher Hubschraubereinsätze. Die Bundespolizei könne nicht an allen Bahnhöfen bundesweit ausreichend Einsatzkräfte bereithalten, falls nicht vorhersehbare Ereignisse eskalierten.

Gewalt beim Fußball ist auch Thema der am Mittwoch begonnenen Innenministerkonferenz in Hannover. Die u. a. von der Deutschen Polizeigewerkschaft erhobene Forderung, wonach die Fußballvereine für Polizeieinsätze zahlen sollen, nannte der IMK-Vorsitzender und niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) gegenüber der Tageszeitung Die Welt vom Mittwoch »nur die Ultima Ratio«, wenn andere Maßnahmen scheitern sollten. Die Innenminister seien sich nach Gesprächen mit der Deutschen Fußballliga (DFL) und dem Deutschen Fußballbund (DFB) einig, daß zunächst die Vereine für die Sicherheit in den Stadien verantwortlich sind. Zur Gewaltprävention gehöre daher auch die Aufstockung der Mittel für Fanprojekte. Während Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) aufgrund von Stein- und Böllerwürfen mit einer Abschaffung von Stehplätzen in Stadien droht, hält Pistorius nichts davon, »die Zuschauer auf den Stehplätzen für das Fehlverhalten einzelner verantwortlich zu machen«. Vielmehr sollten sich die anderen Zuschauer von den Tätern distanzieren und diese so isolieren. »Pyrotechnik und Böller haben in unseren Fußballstadien nichts zu suchen«, so der IMK-Vorsitzende.

Die Zahl sogenannter Problemfans in den Profiligen ist nach Angaben der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren angewachsen. Wurden in der Saison 2007/2008 unter den 36 Vereinen der ersten und zweiten Bundesliga 5860 »bedingt gewaltbereite Fans« (Kategorie B) und 2185 »gewaltsuchende Fans« (Kategorie C) gezählt, so sind diese Zahlen bis zur Saison 2011/12 auf 8480 Kategorie-B- und 2893 Kategorie-C-Fans angestiegen. Wenn auch die Fans der unteren Ligen einbezogen werden, sind bundesweit 16500 Fußballfans dem gewaltbereiten Spektrum zuzuordnen. Diese Einstufung fußt allerdings allein auf der oft willkürlichen Einschätzung der Polizei und ist nicht gerichtlich nachgeprüft. In der fragwürdigen polizeilichen Verbunddatei »Gewalttäter Sport« sind mit Stichtag 30. April 13033 Personen gespeichert.

Zugenommen hat auch die Zahl der Menschen, die am Rande von Fußballspielen verletzt wurden. In der Spielzeit 2010/11 wurden in den Bundesligen, der 3. Liga und der dreizügigen Regionalliga 854 und in der Spielzeit 2011/12 1143 Personen verletzt. Im Vergleich zu 18,5 Millionen Besuchern von Bundesligaspielen in der letzten Spielzeit sind diese Zahlen allerdings marginal. »Eine Konkretisierung dahingehend, ob eine Verletzung durch Hooligans oder andere Fußballfans verursacht wurde, ist nicht möglich«, gibt die Bundesregierung zu, da die Ursache von Verletzungen nicht erfaßt wird. So beinhalten diese Zahlen auch diejenigen Fußballfans, die in Folge von Polizeieinsätzen durch Pfefferspray Verletzungen erlitten.

Gefragt nach Todesfällen im Zusammenhang mit Gewalt beim Fußball kann die Bundesregierung seit der Spielzeit 1991/92 nur einen »Todesfall einer unbeteiligten Person in Folge eines Angriffs durch Angehörige der Fußballproblemszene im Jahr 2004« nennen. Noch vor Beginn dieser Statistik starb der 18jährige Berliner Fußballfan Mike Polley am 3. November 1990, als Polizisten in Leipzig das Feuer auf Anhänger des BFC Dynamo eröffneten.

erschien: junge Welt 23.5.2013