Artikel: Klassenauftrag

Parlamente sollen die Regierung mitsamt ihren Geheimdiensten kontrollieren – eine illusorische Idee, die den Verfassungsschutz nicht tangiert. Rotzfrech legt er statt dessen Dossiers über Abgeordnete an, um sie zu kontrollieren.

Überrascht zu sein braucht niemand. Seit Jahren wissen einzelne Abgeordnete um ihre Beobachtung. Und sie wissen, daß der Verfassungsschutz eine »Sachakte« führt, in der Informationen über die Tätigkeit der Bundestagsfraktion verzeichnet werden. Am gestrigen Montag wurde wieder gelogen, es würden auf keinen Fall geheime Ermittlungsmethoden eingesetzt, nur Zeitungsartikel ausgewertet.

Doch 2009 hat sich die Regierung, in der Beantwortung einer Serie von kleinen Anfragen, verplappert: Die angeblich so offene Beobachtung »schließt jedoch nicht aus, daß sich in der Sachakte des BfV auch im Einzelfall mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene Informationen befinden, die im Rahmen einer auf andere Beobachtungsobjekte abzielenden Informationsbeschaffung« angefallen sind, schrieb sie damals.

Als Zweck der Übung wird angegeben, einer etwaigen »Instrumentalisierung des Parlaments« durch die Linksfraktion auf die Schliche zu kommen. Was könnte das sein? Der Mißbrauch des Bundestages als Abnickorgan für eigene Gesetzesvorlagen durch die Regierung? Seine Instrumentalisierung durch Union und FDP, die gerne »Aktuelle Stunden« dazu verwenden, um in gröbster Polemik Äußerungen von Linke-Politikern zu skandalisieren? Oder einfach die Mißachtung des parlamentarischen Kontrollrechts durch die Exekutive, die selbst CDU-Mann Norbert Lammert ab und an kritisiert?

Das Verhalten einer Fraktion im Parlament ist per se öffentlich und transparent – alles wird in Bundestagsdrucksachen festgehalten und kommt ins Internet. Um das auszuwerten, braucht es keinen Geheimdienst, nur eine gute Pressestelle. Unsere eigenen Anhänger wird die Geheimdienstpraxis nicht weiter irritieren. Aber der Schaden, den diese Stigmatisierung für die Gewinnung neuer Wähler und Aktiver bedeutet, ist nicht zu ermessen. Und darum geht es: Nicht um realen »Extremismus«, sondern um das Zeichnen eines Schreckgespenstes. Die Bundesregierung benutzt den Verfassungsschutz als Instrument, um der Linkspartei durch ihre Diffamierung als »linksextremistisch« zu schaden. Das ist irgendwie eine Übererfüllung seines Klassenauftrages.