Rede im Bundestag: Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei

Rede zu TOP 25 der 102. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages
Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei (Drs. 17/4682)

Anrede,

wir beraten heute einen Antrag der Fraktion DIE LINKE, eine Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei einzuführen.

Warum halten wir solch eine Kennzeichnung für notwendig?
Im Mai 2005 stürmte ein Sondereinsatzkommando der Berliner Polizei die Discothek Jeton. Es kam zu massiven Übergriffen seitens der Beamten. Die Opfer trugen zahlreiche Knochenbrüche und Kopfverletzungen davon. Die Staatsanwaltschaft Berlin nannte die Polizeigewalt unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, das Land leistete Entschädigungszahlungen an die Opfer. Aber die Täter wurden nicht verurteilt: Die Polizisten trugen allesamt Gesichtsmasken und verhinderten damit ihre individuelle Identifizierung.

Vor vier Monaten stellte die Generalstaatsanwaltschaft München ein Verfahren gegen Polizisten ein, die 2007 rechtswidrig auf Fußballfans eingeprügelt hatten. Grund für die Einstellung: Die Schläger konnten nicht einwandfrei identifiziert werden. Die Frankfurter Rundschau kommentierte dies mit den Worten, wieder einmal habe der Rechtsstaat vor der Polizei kapituliert.

Bei zahlreichen Demonstrationen erleben wir immer wieder, dass uniformierte und behelmte Polizisten mit Schlagstöcken, Pfefferspray oder Faustschlägen unverhältnismäßig gegen Demonstranten vorgehen. Sie werden dabei zwar häufig gefilmt, manchmal lösen diese Bilder sogar eine gesellschaftliche Debatte aus, aber zu Verurteilungen der Beamten kommt es nur selten: Mit ihren Uniformen und Helmen sehen sie alle gleich aus, sie sind praktisch vermummt und können im Schutz dieser Anonymität Straftaten begehen.

Nach einer Untersuchung an der FU Berlin, die sich weit über hundert Fälle von Polizeigewalt vorgenommen hat, ist in jedem zehnten Fall die mangelnde Identifizierbarkeit eines Beamten zumindest mitverantwortlich dafür, dass ein Ermittlungsverfahren eingestellt wird. Dabei ist natürlich der Aspekt noch gar nicht berücksichtigt, dass viele Betroffene gar nicht erst Anzeige erheben, weil sie von vornherein wissen, damit nicht durchzukommen,.

DIE LINKE meint: wenn der Rechtsstaat sich selbst ernst nehmen will, muss er dieses Problem anpacken. Eine Kennzeichnungspflicht kann zwar nicht Polizeigewalt verhindern, aber sie kann das Problem der fehlenden Identifizierung lösen.

Gegner der Kennzeichnung behaupten immer wieder, sie ermuntere Gewalttäter zu falschen Beschuldigungen oder gar zu persönlichen Nachstellungen.
Wir wollten das mal genauer wissen und haben zunächst die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage dazu befragt. Die Regierung antwortete, es lägen ihr keine eigenen Informationen vor.
Daraufhin haben wir den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages um eine Untersuchung gebeten. Und siehe da: In fast der gesamten Europäischen Union ist die Kennzeichnungspflicht bereits umgesetzt. Deutschland ist, neben Österreich, der einzige Verweigerer. Und nirgends gibt es Belege für eine damit verbundene Gefährdung von Polizisten. Lediglich aus Spanien werden „in einigen wenigen Einzelfällen“ unberechtigte Anschuldigungen oder Übergriffe vermeldet, ansonsten lägen jedoch „keine relevanten Informationen vor, ob die Einführung der Kennzeichnungspflicht zu einem Anstieg unberechtigter Anschuldigungen gegen Polizeibeamte oder gar zu persönlichen Übergriffen auf diese geführt hat.“
Amnesty international zog daraus die Bilanz: Es lägen keine wirklichen Gründe gegen eine Kennzeichnungspflicht vor.
Dennoch stemmen sich gerade die Polizeigewerkschaften noch immer vehement dagegen.
Der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch hat hierzu in einer Anhörung im Brandenburger Landtag Anfang Januar das Notwendige gesagt: Die Polizisten hätten vielfach „emotionale Vorbehalte“, die sich aber nicht auf Tatsachen stützten.

Berlin hat mittlerweile eine Kennzeichnung beschlossen, Brandenburg steht kurz bevor. Dort hat interessanterweise die CDU die Initiative ergriffen – und die steht wohl genausowenig im Verdacht, angeblichen linken Gewalttätern nahezustehen wie der Berliner Polizeichef. Die Brandenburger CDU führt in ihrem Gesetzesentwurf völlig zu Recht aus, eine namentliche Kennzeichnung könne das Vertrauen in die Polizei durch Transparenz und Bürgernähe stärken. Das sagen wir auch den Polizeigewerkschaften: Sie haben nichts zu verlieren, im Gegenteil. Wenn die Bürger wissen, mit wem sie es zu tun haben, werden sie eher mehr als weniger Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit polizeilichen Handelns haben.
Die Kennzeichnung dient, so schreibt es auch die Brandenburger CDU, der Sicherstellung der Rechtsschutzgarantie für die Bürger und gewährleistet eine schnelle Aufklärung von Fällen von Polizeigewalt.

DIE LINKE zieht hieraus das Fazit: Eine Kennzeichnung kostet nichts, sie richtet keinen Schaden an, sie ist aber geeignet, Schaden abzuwenden, indem sie Opfern polizeilicher Übergriffe die Möglichkeit gibt, die Täter zu identifizieren und belangen zu lassen. Eine Kennzeichnung wäre daher ein Gewinn für ehrliche Polizisten wie für die Bürger.

1704682_Kennzeichnung_Bundespolizei.pdf