Kommentar: Böller bleibt Böller

Bei dem Böller, durch den am Samstag bei der Großdemonstration gegen Sozialabbau in Berlin mehrere Polizisten verletzt wurden, hat es sich definitiv nicht um eine Splitterbombe gehandelt. Das stellte die Berliner Staatsanwaltschaft am Donnerstag klar.

Bis zum Ende der Demonstration hatte in der Medienberichterstattung der massenhafte Protest gegen die Sparpolitik der Bundesregierung im Vordergrund gestanden. Das änderte sich schlagartig nach einer dpa-Meldung um 18.27 Uhr, in der von zwei durch einen explosiven Stoff schwer verletzten Polizisten die Rede war. Während die Polizei in ihrer Pressemeldung am Sonntag um 11.02 Uhr noch unbestimmt von einem durch Unbekannte geworfenen »Sprengsatz« schrieb, meldete dpa bereits knappe 20 Minuten später, nach Polizeiangaben sei eine möglicherweise mit Nägeln oder Glasscherben gefüllte »Splitterbombe« detoniert.

Dann verurteilte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Wurf einer »Splitterbombe«, und der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, sprach von »Mordversuchen«. Am Montag titelte Bild: »Bombenanschlag auf Polizisten«. Daß ein Polizeisprecher gegenüber der Berliner Zeitung vom Dienstag erklärt hatte, bei dem Sprengsatz sei definitiv kein Metall oder Glas verwendet worden, ging in der allgemeinen Stimmungsmache gegen »Chaoten« und dem Ruf nach Strafverschärfungen unter. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sprach von einen »Anschlag« bisher unbekannter Brutalität, und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sah ein »Comeback des linken Terrors«.

Während ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft am Mittwoch vormittag gegenüber der taz ausschloß, daß es sich um eine Splitterbombe gehandelt habe, tönte CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl am Nachmittag auf einer von den Regierungsfraktionen beantragten aktuellen Stunde im Bundestag zum »Linksextremismus«: »Es wurden Splitterbomben zum Einsatz gebracht, die mit Eisenteilen gespickt waren«. Unionspolitiker beschuldigten die Linkspartei und die Gewerkschaft ver.di, sie hätten es als Mitveranstalter der Demonstration zugelassen, daß sich ein schwarzer Block formiert, aus dem die »Sprengsätze« geflogen seien. Gefordert wurden schärfere Strafen für Angriffe auf Polizisten und eine Verschärfung des Landfriedensbruchsparagraphen.

Um es deutlich zu sagen: Auch der Einsatz starker Böller, die nicht nur Polizisten verletzten, sondern auch Demonstranten gefährdeten, ist durch nichts zu rechtfertigen. Doch Linkspartei und soziale Bewegungen dürfen sich von der Stimmungsmache jetzt nicht die Sinne vernebeln zu lassen. Denn deren Zielrichtung ist klar: Der soziale Protest soll kriminalisiert werden. Wenn es tatsächlich einmal zu den vielbeschworenen »sozialen Unruhen« kommt, dann wollen die Herrschenden über das nötige gesetzliche Abwehrinstrumentarium verfügen.