Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat mit den neuen Gesetzen wieder einmal angeblich »juristisches Neuland« betreten. Vorwand ist die »Bekämpfung des internationalen Terrorismus« – tatsächlich ist es jedoch ein Verfassungsbruch durch die Parlamentsmehrheit. CDU/CSU und SPD haben damit bewiesen, daß sie sich zum Ende der Legislaturperiode auch von fundierter Kritik der Rechtsexperten nicht davon abhalten lassen, unsinnige Verschärfungen zu beschließen. Der Wahlkampf läßt grüßen.
Kernstück des umfangreichen Pakets ist das »Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten«. Hinter diesem Titel verbirgt sich die Einführung der Gesinnungsjustiz: Die »Ausbildung in Terrorcamps« soll nämlich mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Damit wird das Prinzip aufgegeben, daß nur das Delikt selbst oder der Versuch dazu strafbar sein dürfen, nicht dagegen eine sogenannte »Vorbereitungshandlung«.
Nach Meinung der Koalition soll bereits eine Gesinnung, die zu einer solchen Tat führen kann, die Strafverfolgung ermöglichen. Wie diese Gesinnung nachgewiesen werden kann, bleibt allerdings das Geheimnis der Gedankenleser im Bundeskabinett. In der Debatte erinnerte die Linke an den von dem Schriftsteller George Orwell in seinem Buch »1984« beschriebenen Überwachungsstaat und kritisierte die Aufgabe fundamentaler rechtsstaatlicher Grundsätze. Die neuen Strafvorschriften dienten als Grundlage dafür, Telefongespräche mitzuhören, Wohnungen zu filmen und Computer zu durchsuchen.
Als ebenso fragwürdig hatten Sachverständige schon bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 25. März den Entwurf einer neuen Kronzeugenregelung bezeichnet. Darüber setzte sich jedoch die große Koalition gestern hinweg und beschloß ein »Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe«. Die neuen Bestimmungen treten an die Stelle der 1999 ausgelaufenen alten Kronzeugenregelung. Sie sehen vor, daß ein Gericht eine mildere Strafe verhängen kann, wenn ein Angeklagter freiwillig sein Wissen über andere schwere Straftaten offenbart.
Die Oppositionsfraktionen im Bundestag lehnten auch die neue Kronzeugenregelung entschieden ab. Ein Handel mit der Strafe, in den der Täter sein Tatwissen gewissermaßen als Geschäftsgrundlage einbringt, ohne daß an die Tatumstände und die Schuld angeknüpft wird, wurde als nicht akzeptabel kritisiert. Es bestehe nämlich die Gefahr, daß solche erkauften Aussagen schlicht falsch seien. Darüber hinaus sei zu befürchten, daß die Kronzeugenregelung benutzt wird, um politisch unliebsame Organisationen und ihre Unterstützer als »terroristisch« oder »kriminell« zu verfolgen.
Im Bundesrat wird sich zeigen, ob diejenigen Länder, die von Linken, FDP und Grünen mitregiert werden, genug Rückgrat haben, um das Inkrafttreten der rechtsstaatswidrigen Neuregelungen zu stoppen.