Artikel: Gezielte Gerüchte

Die mutmaßlich rechte Messerattacke auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl bleibt ungeklärt. Mittlerweile sind die Ermittlungsbehörden in die Kritik gekommen. Wegen etlicher Widersprüchlichkeiten wurden öffentlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Mannichl laut. Gegen Gerüchte, es handle sich um eine Beziehungstat aufgrund eines Ehestreits, wehrte sich Mannichl am Samstag. Er beklagte, er werde ein zweites Mal zum Opfer gemacht.

Am Abend des 13. Dezember 2008 wurde der Polizeidirektor mit einer Stichwunde im Brustkorb ins Klinikum eingeliefert. Er gab an, daß er vor seinem Haus in Fürstenzell bei Passau von einem großen, glatzköpfigen Mann überfallen worden sei. Dieser habe »schöne Grüße vom nationalen Widerstand« bestellt und gerufen: »Du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum.« Mannichl war in der Vergangenheit durchaus gegen Rechtsextremisten vorgegangen. Als bei der Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse in Passau eine Reichskriegsflagge mit Hakenkreuzen ins Grab gelegt, ließ Mannichl das Grab öffnen, um die Flagge als Beweismittel zu beschlagnahmen. Bei einem verbotenen Aufmarsch der NPD auf einem Friedhof hatte sich Mannichl persönlich den Rechten entgegengestellt. Dabei trat er versehentlich auf eine Grabplatte. Man vermutete, die Äußerung des Messerstechers habe sich auf diesen Vorfall bezogen. Zudem gab es auf den Internetseiten der Neonazis seit längerer Zeit Drohungen gegen den Polizeichef.

Seit einigen Tagen zweifeln verschiedene bürgerliche Blätter Mannichls Darstellung an. So schrieb die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag abend in ihrem Onlineportal jetzt.de unter Berufung auf »erfahrene Ermittler« – die natürlich anonym blieben – von angeblichen Unstimmigkeiten. So habe man den Fall zunächst der örtlichen Polizei überlassen, obwohl diese bezüglich des eigenen Vorgesetzten kaum objektiv ermitteln konnte. Ende Dezember übergab man den Fall dem Landeskriminalamt. Erst dieses habe dann in der Umgebung des Tatorts nach Zigarettenkippen gesucht. Auch seien die Nachbarn Mannichls erst drei Wochen nach der Tat als Zeugen vernommen worden.

Zweifel erregte bei den in der Süddeutschen zitierten Ermittlern auch, daß zur Tat ein Küchenmesser benutzt wurde, das Mannichl selbst gehört. »Woher sollte der Täter wissen, daß vor dem Haus ein Messer lag? Warum sollte er für einen Mordanschlag ein Küchenmesser benutzen? Warum läßt der Täter das Messer am Tatort zurück und geht das Risiko ein, seine DNA zu hinterlassen? Allenfalls, wenn das Gespräch an der Tür länger gedauert haben sollte, hätte er das Messer entdecken können«, heißt es in dem Artikel. Auch sei es »erstaunlich«, daß Mannichl (»ein erfahrener Polizist«) keine genaue Personenbeschreibung habe geben können.

Weder am Tatmesser noch an der Kleidung Mannichls wurden fremde DNA-Spuren oder Fingerabdrücke gefunden, wundert sich die Süddeutsche weiter. Außerdem weiß die Zeitung: »Der Stich traf Mannichl zwei Zentimeter unterhalb des Rippenbogens und nicht, wie anfangs erklärt wurde, zwei Zentimeter neben dem Herzen.« Alles in allem spreche »ein solches Setting« für eine »Beziehungstat« zitiert die Süddeutsche ihren anonymen Experten.

Der Polizeichef setzte sich am Samstag in der Münchner Abendzeitung und anderen bayerischen Blättern zur Wehr. In der Dunkelheit habe er den Täter nicht genau erkennen können. Die Aussage zu den Tätowierungen stamme nicht von ihm, sondern von einer Nachbarin. Er sei dem Täter in den Arm gefallen. Daraus erkläre sich, daß der Einstich nicht so tief eingedrungen sei.

Trotz dieser Erläuterungen sprach der zuständige Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walch am Samstag gegenüber der Presse von »Merkwürdigkeiten«, womit er sich der Berliner Morgenpost »vor allem auf die Tatwaffe« bezog. Gleichzeitig betonte Walch, daß bislang »nichts« auf eine Beziehungstat in der Familie hindeute.