Kommentar: Schäubles Horrorgesetz

Es klingt wie blanker Hohn, wenn die Verhandlungsführer der CDU/CSU und SPD, Wolfgang Bosbach und Dieter Wiefelspütz, nach der Einigung auf ein neues Gesetz über das Bundeskriminalamt (BKA) behaupten, sie hätten ein »gutes« Gesetz »noch besser« gemacht. Gut ist an diesem Machwerk überhaupt nichts – im Gegenteil, es handelt sich um den tiefsten Eingriff in die Bürgerrechte seit Schilys berüchtigten »Otto-Katalogen«, wie die »Antiterrorgesetze« nach dem 11. September 2001 von Kritikern bezeichnet wurden. Der jetzige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) knüpft an die unselige Tradition seines Vorgängers Otto Schily (SPD) an, unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung die »Sicherheitsarchitektur« in Deutschland zu verschlechtern.

Noch hat Schäuble nicht all seine Ziele erreicht, denn seine kürzliche Einigung mit SPD-Fraktionschef Peter Struck und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf zusätzliche Einsatzmöglichkeiten für die Bundeswehr im Inneren stieß auf so großen Widerstand, daß dieses Projekt der Militarisierung der Innenpolitik vorerst aufgeschoben wurde. Beim BKA-Gesetz erwies sich der Widerstand der Sozialdemokraten aber eher als politisches Showbusiness. Die SPD hat letztlich der schlimmsten Neuerung zugestimmt, nämlich der Einführung heimlicher Onlinedurchsuchungen von Privatcomputern. Zwar dürfen BKA-Beamte wenigstens nicht heimlich in Wohnungen eindringen, um dort in Computern Spionagesoftware zu installieren. Eine Befugnis für Polizisten, wie Diebe in eine Wohnung einzudringen, wäre aber ohnehin wegen Verstoßes gegen Artikel 13 des Grundgesetzes verfassungswidrig gewesen. Es ist also keine besondere Leistung der SPD, wenigstens dieses von Schäuble gewünschte »Betretungsrecht« verhindert zu haben.

Ansonsten bleibt es auch nach den Beratungen in den Koalitionsfraktionen bei den Grausamkeiten, die Schäuble seinem »deutschen FBI« erlaubt. Sämtliche heimlichen Ermittlungsbefugnisse, die es verstreut in den Polizeigesetzen der Länder gibt, sollen jetzt auch dem BKA zustehen. Insgesamt wird Schäubles BKA künftig eher einem Nachrichtendienst denn einer Polizeibehörde ähneln. Diese Tendenz wird verstärkt durch die zahlreichen Übermittlungsbefugnisse an die Geheimdienste von Bund und Ländern.

Die Koalition folgt offenbar dem Grundsatz, daß die parlamentarische Beratung eines Gesetzes um so oberflächlicher ausfallen müsse, je schwerwiegender es in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingreife. Statt ein so wichtiges Gesetz im normalen Verfahrensgang im Bundestag zu behandeln, soll es in weniger als einer Woche mittels Sondersitzungen durchgepeitscht werden. Das ist nicht nur ein Affront gegen die Opposition, sondern gegen alle Bürgerinnen und Bürger. Denn von diesem Horrorgesetz kann jede und jeder betroffen sein.