Rede im Bundestag: Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend prüfen (Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident,

dieser Sommer hat wieder einmal gezeigt, dass die Heimattreue Deutsche Jugend ein wichtiger Teil des organisierten Neofaschismus ist. Ein von ihr veranstaltetes Sommerlager wurde von der Polizei aufgelöst, nachdem die Neofaschisten dort gegen das Uniformierungsverbot verstoßen hatten.

Doch nicht immer sind aufmerksame Bürgerinnen und Bürger zur Stelle, die gegen ein solches Treiben vorgehen. Und von einzelnen Strafverfahren wird sich die Heimattreue Deutsche Jugend nicht in ihren Umtrieben abbringen lassen. Auch die Fraktion DIE LINKE. setzt sich deshalb mit einem Antrag für das Verbot dieser neofaschistischen Organisation ein.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Mit mehreren hundert Mitgliedern und einem bundesweiten Organisationsnetz stellt die HDJ eine der größten und wichtigsten Nachwuchs- und Rekrutierungsorganisationen der neofaschistischen Szene in Deutschland dar.

Es liegen längst ausreichende Beweise dafür vor, dass die HDJ eine Nachfolgeorganisation der 1994 vom Bundesinnenministerium verbotenen Wiking Jugend darstellt. So war der „Bundesführer“ der HDJ, Sebastian Räbiger, bis zum Verbot der Wiking Jugend Leiter der „Gau Sachsen“. Auch weitere Spitzenfunktionäre der Wiking Jugend finden sich heute an führender Stelle in der HDJ wieder.

Schon die neonazistische Wiking Jugend, die sich ganz bewusst an ihr Vorbild, die SS-Division „Wiking“ anlehnte, war seit ihrer Gründung 1952 jahrzehntelang in der BRD unbehelligt geblieben. Doch schließlich musste die Bundesregierung zugeben, dass die Wiking Jugend das Ziel verfolgte, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Viel zu lange haben die staatlichen Behörden anschließend das braune Treiben der HDJ als Nachfolgeorganisation der Wiking Jugend schlicht ignoriert. Nicht Polizei und Verfassungsschutzbehörden, sondern engagierte Einzelpersonen haben die Aktivitäten der HDJ in diesem Sommer öffentlich gemacht.

Die HDJ bietet sie einen wichtigen Anlaufpunkt für neofaschistische Familien, die bei ihr im Freizeit- und Jugendbereich umfassende Angebote finden. Der weiteren Etablierung einer rechtsextremen Parallelwelten wird somit Vorschub geleistet. Kinder und Jugendliche aus neonazistischen Elternhäusern werden dort bei Lagerfeuerromantik mit der menschenverachtenden Ideologie der Neonazis, mit rassistischem und antidemokratischen Gedankengut indoktriniert. Paramilitärische Ausbildung, die von der HDJ so genannte soldatische Erziehung, ist wichtiger Bestandteil ihrer Kinder- und Jugendcamps. Selbst Scheinhinrichtungen werden in Wehrsportübungen vollzogen.
Werte Kolleginnen und Kollegen,

Die HDJ operiert in enger Verbindung mit der NPD und den Neonazikameradschaften sowie anderen rechtextremen Gruppierungen. Immer wieder treten führende Funktionäre der NPD als Schulungsleiter bei der HDJ auf. Der inzwischen zum stellvertretenden NPD-Vorsitzenden aufgestiegene Jürgen Rieger stellte jahrelang seinen Hof in der Lüneburger Heide für Versammlungen der HDJ zur Verfügung. Im Gegenzug übernehmen ältere HDJ-Mitglieder immer wieder Ordnerfunktionen bei NPD-Veranstaltungen oder treten dort mit Kulturbeiträgen auf.

Das Vorbild der HDJ ist eindeutig die Hitlerjugend. Jahreskalender der HDJ verzeichnen den Geburtstag von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß. Die HDJ beteiligt sich an einem jährlichen Gedenkmarsch, der dem Nazi-Idol, SA-Mann Horst Wessel gewidmet ist. Ihre Zelte tragen Namen wie „Führerbunker“ und selbst Hakenkreuzsymbole wurden bei der Durchsuchung eines Zeltlagers gefunden. Bei den Lagern und Veranstaltungen der HDJ wird im Sinne ihres „soldatischen Erziehungsideals“ Uniform getragen, über das allgemein geltende Uniformverbot im Versammlungsgesetz setzt sich die Gruppierung hinweg.

Ein Verbot allein ist selbstverständlich nicht ausreichend. Gesellschaftliches Engagement ist weiterhin die zentrale Säule des Kampfs gegen rechts. Vorbildlich sind in diesem Zusammenhang eine Elterndemonstration in Detmold gegen die Verführung von Kindern und Jugendlichen durch die HDJ-Einheit Hermannsland oder Hinweise aufmerksamer Bürger, die zur raschen Auflösung eines HDJ-Camps in Hohen Spenz führten. Begrüßenswert ist zudem die Entfernung eines HDJ-Führers aus dem Technischen Hilfswerk in Greifswald.
Denn gerade bei der politischen Jugendarbeit gilt die antifaschistische Losung: „Wehret den Anfängen“.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich will am Schluss aber auch noch auf das Verhalten der Regierungskoalition zu sprechen kommen. Von allen drei Oppositionsfraktionen lagen dem Innenausschuss in seiner gestrigen Sitzung Anträge zu diesem Thema vor. Eine Entscheidung wurde aber vertagt. Offensichtlich ist den Regierungsfraktionen das Thema Kampf gegen Rechtsextremismus nicht wichtig genug, um mal die parlamentarischen Spielchen sein zu lassen und einem Antrag der Opposition zuzustimmen. Dieses Verhalten ist wirklich ungeheuerlich. Die Beratungen über ein Verbot der HDJ müssen jetzt zügig zu einem Ende geführt werden. Dafür wird sich meine Fraktion weiter entschieden einsetzen.