Artikel: Restriktiver als die EU erlaubt

Mit der Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes im vergangenen Jahr hat die große Koalition für die Familienzusammenführung eine Sprachprüfung im Herkunftsland durchgesetzt. Seither ist die Zahl nachziehender Ehegatten drastisch zurückgegangen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wurden demnach 23 Prozent weniger Visa für Ehegatten aus den 15 wesentlichen Herkunftsländern erteilt. Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Sevim Dagdelen, bezeichnete diese Entwicklung mitte der Woche als »schweren Eingriff in das Grundrecht auf besonderen Schutz von Ehe und Familie«. Die Behauptung der Bundesregierung, daß die geforderten Sprachkenntnisse sich leicht in drei Monaten erwerben ließen, entspreche nicht der Realität.

Die SPD hatte den Sprachprüfungen zugestimmt, um der CDU/CSU eine völlig unzureichende Altfallregelung für »Geduldete« abzuringen. Betroffene hoffen nun, daß das Bundesverfassungsgericht die Neuregelung wieder aufhebt. Das Gesetz führt offenkundig dazu, daß Personen, die sozial und vom Bildungsstandard her benachteiligt sind, vom Nachzug ausgeschlossen werden. Am 25. juli hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, daß sich mit EU-Bürgern verheiratete »Drittstaatler« mit ihrem Ehepartner innerhalb der EU frei bewegen dürfen (Az.: C-127/08). Dieses Recht der Drittstaatsangehörigen ist laut EuGH nicht davon abhängig, ob sie sich zuvor rechtmäßig in einem anderen EU-Mitgliedsstaat aufgehalten haben. Nach der EU-Richtlinie über die Freizügigkeit der Unionsbürger (Nr.2004/38/EG) hat jeder EU-Bürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats zu bewegen und aufzuhalten, wenn er dort erwerbstätig ist, studiert oder über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt, um keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Der EuGH hat nun klargestellt, daß dieses Recht auch Ehegatten aus Nicht-EU-Staaten zusteht. Das Gericht hob hervor, daß die Ausübung der Freiheiten von Unionsbürgern schwerwiegend behindert würde, wenn diese in einem anderen EU-Mitgliedsstaat kein normales Familienleben führen dürften. Als Folge dieses Urteils hat beispielsweise ein in Deutschland lebender Franzose das Recht, seine aus Marokko stammende Ehefrau ohne Sprachprüfung nach Europa zu holen. Möchte dagegen die Marokkanerin zu ihrem deutschen Ehegatten in die BRD ziehen, ist eine Sprachprüfung erforderlich.