Artikel: Islam-Bashing als politisch korrekter Rassismus

Die immer rabiatere Islamhetze ist die Kehrseite der imperialen Kreuzzüge des Westens gegen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens – von Afghanistan und dem Irak über Palästina bis womöglich bald zum Iran. Gleichzeitig kaschiert der Islamhass den Abbau demokratischer Grundrechte in Deutschland durch immer neue „Sicherheitsgesetze“. Flüchtlinge und Migranten insbesondere aus islamischen Ländern werden – nicht nur von der Bundesregierung – unter terroristischen Generalverdacht gestellt. Dabei gilt absurder Weise: je angepasster und integrierter ein Migrant ist, desto gefährlicher erscheint er. Es könnte sich ja um „Schläfer“ handeln. „Der Antiislamismus ist auf dem besten Wege – um ein geflügeltes Wort Thomas Manns über den Antikommunismus im 20.Jahrhundert zu benutzen – zur Grundtorheit unseres Jahrhunderts zu werden.“, so der Berliner Rechtsanwalt Eberhard Schulz.

Islamophobie aus der Mitte der Gesellschaft

Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer konstatiert in seiner jährlichen Studie „Deutsche Zustände“ eine „steigende Islamophobie“ in Deutschland, wobei die Abwehr gegen den Islam sich durch alle Schichte bis hin zu Gebildeten zieht. Gut ein Viertel aller befragten Deutschen sind demnach der Meinung, es sollten keine Muslime mehr nach Deutschland zuwandern. Laut einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie vom Mai 2006 sprachen sich 56 Prozent der Befragten für ein Verbot von Moscheeneubauten aus, weil in „manchen islamischen Ländern keine Kirchen gebaut werden dürfen.“ Ebenfalls 56 Prozent sehen einen „Kampf der Kulturen“ zwischen Islam und Christentum im Gange. Zwei Jahre zuvor vertraten erst 46 Prozent der befragten diese These. Auch erhebliche Eingriffe in das Grundrecht der Religionsfreiheit würden derzeit von einem großen Teil der Bevölkerung befürwortet. Immerhin 40 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: «Um zu verhindern, dass es zu viele radikale, gewaltbereite Moslems in Deutschland gibt, sollte man die Ausübung des islamischen Glaubens in Deutschland stark einschränken».

Der Islam wird in der Öffentlichkeit häufig als eine gewalttätige und archaische „Ausländerreligion“ dargestellt, indem barbarische Verhaltensweisen wie Ehrenmorde, die ihre Ursachen in überlebten Feudalstrukturen haben, mit dem Islam oder „den Türken“ gleichgesetzt werden. Erscheinungen wie Jugendgewalt werden auf vermeintliche kulturell-religiöse Hintergründe zurückgeführt, statt die soziale Situation der Täter zu analysieren. In der Zuwanderungsdiskussion wird pauschal die Gleichung Migranten = Moslems = Extremisten gezogen.

Konservative Politiker sorgen sich plötzlich scheinbar um unterdrückte muslimische Frauen – und zögern dennoch nicht, diese zusammen mit ihren Männern aus Deutschland abzuschieben. Und rechtsbürgerliche Zeitungen wie die Welt und die FAZ geben plötzlich ausgewiesenen Feministinnen Platz für Kommentare – solange diese nur prügelnde türkische oder arabische Ehemänner attackieren. Doch auch Linke und einstmals fortschrittliche Bewegungen sind vor dem Gift des Islam-Hasses nicht gefeit. Vielmehr ist Islam-Bashing heute zum „politisch korrekten Rassismus“ selbst von Teilen der antifaschistischen, der Frauen- und Schwulenbewegung geworden. So titelte das Berliner Schwulenmagazin provokant „Türken raus!“. Eine notwendige ernsthafte Behandlung der Thematik homophober Gewalt durch Jugendliche mit Migrationshintergrund wurde so bereitwillig Stammtischparolen geopfert.

Ein weiteres Beispiel dafür ist ein angeblich satirischer Artikel „11 Söhne“ aus der sich selbst als antifaschistisch und links gebende antideutsche Wochenzeitung Jungle World vom 26. Juni. Bereitwillig werden schlimmste sexistische und rassistische Vorurteile über Türken bedient. So heißt es etwa: „Zweite Sohn Orhan. Wenn er 17, ich sage: Oglum, milli olmanın zamanı geldi; Meine Sohn, mussu nasyonal werde. Wir gehe Puff. Dort Schwuchtel in Angebot! Ich sage: Schwuchtel ficke nix schwul, aber wenn Schwuchtel dich ficke, ich deine Mutter ficke. Danach ich stolz. Gehe mit Orhan in Teehaus, rufe: Meine Sohn jetz nasyonal! Ich zahle und wir singe und tanse die ganse Nacht mit alle Mann“. Ein Ausrutscher ist das nicht. Bereits am 12.Mai 2005 war eine ähnliche „Satire“ in dem Blatt zu lesen, die ebenfalls alle deutschen Stammtischklischees gegen Türken bedient. Unter anderem hieß es da: „Alle sagen: »Kreuzberg sehr türkisch«, »Kreuzberg nix Deutsch«, »Klein-Istanbul«. Auch ich geglaubt das. Kollege in Türkiye, Kollege von Import-Export-Firma, hat er zu mir gesagt: »Kreuzberg ist wie anatolisch Dorf, nur deutsche Staat zahle Kindergeld. Ich mach dich Kreuzberg!« Ich sofort zu Ayse und Zeynep und Safiye und Hafize gerufe: »Alle Kinder einpacke, nix vergesse, in Kreuzberg wir braucht alle! Nur Fatma sofort verkaufe, brauche Geld für Otobüs!« Pauschal werden Türken als arbeitsscheue Sozialschmarotzer diffamiert, wie wir es sonst nur aus der Presse der neofaschistischen DVU gewohnt sind.

Ihre Steigerung findet solche Hetze von ehemals linker Seite in unzähligen Anti-Islam-Portalen im Internet, auf denen häufig in rassistischer, beleidigender, hasserfüllter Weise gegen Muslime und den Islam sowie gegen Migranten generell gehetzt wird. Auch unverhohlene Gewaltphantasien gegen Muslime finden sich in den Gästebüchern dieser Websites. Mit nach eigenen Angaben 10 bis 20.000 täglichen Besuchern ist das zentrale Onlineforum der Islamhasser das Webportal Politically Incorrect geworden.

Nur unwesentlich zivilisierter gibt sich der Spiegel-Journalist Henryk M. Broder als einer der führenden moslemfeindlichen Polemiker im Land. In seinem auch von der Bundeszentrale für politische Bildung vertriebenen Buch »Hurra, wir kapitulieren!« lässt Broder kaum ein antimuslimisches Klischee aus. Broder warnt vor der »Islamisierung« Europas und vor den »1,5 Milliarden Moslems in aller Welt, die chronisch zum Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen«. Diese pauschale Verunglimpfung einer ganzen Religionsgruppe hinderte den Innenausschuss des Bundestages nicht daran, Broder auf Initiative der „Extremismus-Expertin“ der Unionsfraktion Kristina Köhler als Sachverständigen zur Anhörung über das Thema »Antisemitismus in Deutschland« einzuladen. Die Abgeordnete Köhler hatte zuvor bereits den CDU-Arbeitskreis »Extremismus und Islamismus« konstituiert. Zu Recht schreibt der Journalist Knut Mellenthin: Broders „Teilnahme an dieser Anhörung setzt, vielleicht unbeabsichtigt, ein fatales Signal: dass der deutsche Bundestag die Verunglimpfung von Menschen, Gruppen, Staaten und Religionsgemeinschaften nicht grundsätzlich und gleichermaßen ablehnt, sondern sie sehr unterschiedlich beurteilt – je nachdem, gegen wen sie sich richtet. Das ist geeignet, insbesondere bei jungen Moslems das Missverständnis zu fördern, die Bekämpfung des Antisemitismus gehe auf ihre Kosten, und Widerwillen dagegen zu produzieren.“

Anti-Islam-Parteien

In populistischen und rassistischen Kampagnen gegen „den Islam“ sieht die extreme Rechte in Europa ein Erfolgsrezept für ihre Propaganda. Statt hinter platten Parolen wie „Ausländer raus“ verbirgt sich der Rassismus heute hinter populistischeren Parolen wie der Verteidigung der „deutschen Leitkultur“ oder des „christlichen Abendlandes“ gegen eine angeblich drohende Islamisierung und Moscheenbau.
Solche Kampagnen sollen als Eintrittsticket von Rechtsextremen zur vielbeschworenen Mitte der Gesellschaft dienen. So agieren in Bürgerinitiativen gegen Moscheebau häufig verhetzte Bürger, konservative Lokalpolitiker und Neofaschisten nebeneinander oder sogar Hand in Hand und negieren das Recht auf freie Religionsausübung für Menschen muslimischen Glaubens.

Vorreiter bei den Anti-Islam-Parteien ist die 1996 von ehemaligen Mitgliedern der rechtsextremen Liga für Volk und Heimat, der NPD und der Republikaner gegründete Bürgerbewegung „Pro Köln“ mit ihrer Kampagne gegen einen Moscheebau in Köln-Ehrenfeld. Ausgehend vom Kölner Vorbild gründete sich die Partei „Pro NRW“ mit Ablegern in rund einem Dutzend nordrhein-westfälischen Kommune. Als explizite Anti-Islam-Partei hofft Pro NRW im kommenden Jahr bei der Kommunalwahl die Rathäuser zu erobern. Ebenfalls ausgehend von Pro Köln existiert seit 2005 eine „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ als bundesweiter Dachverband der Pro-Gruppierungen unter dem Vorsitz des Ratsherren von Pro Köln, Manfred Rouhs. So machte die Gruppierung Pro München im Kommunalwahlkampf im Winter 2008 Stimmung gegen den Neubau einer Moschee im Stadtteil Sendling und in Berlin verteilten Pro-Deutschland-Anhänger Flugblätter gegen den Bau einer Moschee in Charlottenburg. Wo keine neuen Moscheen geplant seien, werde halt gegen die bestehenden gekämpft“, erklärte Pro-NRW-Funktionär Markus Beisicht.

Der im März 2008 zu Pro Köln übergelaufene langjähriger CDU-Ortsvorsitzender und früherer Vize-Bezirksbürgermeister in Köln Ehrenfeld, Jörg Uckermann sieht ein „sofort abrufbares Potential von bis zu 25 Prozent der Wähler für einen rechtspopulistischen Politikansatz“. Wichtig sei es, dafür mit den Medien zu spielen, „Stimmungen aufgreifen und kanalisieren“, schreibt er im rechten Strategieorgan „Nation&Europa“.“ Durch die Anti-Islam-Kampagne „greifen wir Sorgen und politische Forderungen auf, die in der einheimischen Bevölkerung absolutmehrheitsfähig sind, wie auch alle Meinungsumfragen bestätigen.“ Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hält einen Erfolg der antiislamischen Kampagne von „Pro NRW“ und ähnlichen Gruppierungen für durchaus möglich und warnt, dass diese im Westen der Bundesrepublik die NPD bei Wahlen überflügeln könnte.

Auch die nach dem Aufstieg der NPD im rechtsextremen Lager bereits in der Beutungslosigkeit verorteten rechtsextremen „Republikaner“ sind auf den anti-islamischen Zug aufgesprungen und beteiligen sich ebenso wie Pro Köln an einem im Januar 2008 in Antwerpen zusammen mit Vertretern des Vlaams Belang, der FPÖ, der Front National, Alsac d`abord gegründeten „Städte-Bündnis gegen Islamisierung“, dem laut Vlaams Belang-Chef Dewinter rechte Kommunalpolitiker aus Antwerpen, Berlin Bologna, Brüssel, Gent, Graz, Köln, Mechelen, München, Rotterdam, Utrecht, Rom, Venedig, Lille, Straßburg, Paris, Marseille und Wien angehören.

Islamhetze und Antisemitismus

Weil er die Türken als „neue Juden Europas“ bezeichnete wurde, musste Faruk Sen, als Direktor des als Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen laufenden Zentrums für Türkeistudien von seinem Posten zurücktreten. Unterstützung gegen die Vorwürfe der Holocaustrelativierung und des Antisemitismus bekam Sen vom Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer. Tatsache sei es, dass „türkischstämmige Muslime in Deutschland, ja in Europa, trotz aller freundschaftlichen Beteuerungen, sehr wohl alltäglichen Diskriminierungen und Ausgrenzungen ausgesetzt sind, die teilweise in ihrer Erscheinungsform der Diskriminierung von Juden im letzten Jahrhundert ähnlich sind“, erklärte Kramer. Dabei handle es sich hauptsächlich um die einschlägige Fremdenfeindlichkeit, die bis heute Juden und Muslime, aber auch Ausländer und Menschen dunkler Hautfarbe in Deutschland vereine. Während sich einzelne Moslemhasser wie das Internetportal politically incorrect explizit als pro-israelisch bezeichnen, dabei aber traditionell antisemitische Stereotype wie das Bild des raffgierigen Parasiten kurzerhand vom Juden auf den Moslem übertragen, richtet sich die Feindschaft zahlreicher anderer Islam-Feinde gegen Juden und Moslems bzw. Migranten aus dem islamischen Kulturkreis gleichermaßen. Für Jean Marie Le Pen, Stargast auf dem Kölner Rassistenkongress, sind die Gaskammern von Auschwitz bekanntlich nur ein „Detail der Geschichte“.

Islam-Hass gilt es ebenso entschieden entgegen zu treten, wie Antisemitismus und jedem anderen Rassismus.