Artikel: Wahlkampf – Union mißbraucht Münchener Urteil

Noch mehr als der rigide Urteilsspruch erschrecken die politischen Reaktionen. CDU und CSU wollen den Fall für die bayerische Landtagswahl im September instrumentalisieren. Bereits unmittelbar nach der Tat hatte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Forderung nach härteren Strafen für Jugendliche verbunden mit dem Schüren von ausländerfeindlichen Ressentiments. Koch ist mit seiner Wahlkampagne ebenso gescheitert wie die Münchner CSU, die im Kommunalwahlkampf ein Foto von der mit einer Überwachungskamera aufgezeichneten Tat plakatierte. Profitiert hat von der Kampagne nur die neofaschistische »Bürgerinitiative Ausländerstopp«, die seitdem im Münchner Rathaus vertreten ist.

Gleichwohl folgt Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) angesichts drohender Stimmenverluste Kochs Vorbild mit der Forderung nach Abschiebung. Weder wartet Beckstein ab, bis das Urteil rechtskräftig ist, noch stört ihn, daß eine Abschiebung nach der Haft einer Doppelbestrafung gleich-käme. Zwar ist Serkan A. türkischer Staatsbürger, aber in München geboren und aufgewachsen. Spyridon L. wohnt seit 2001 in München und genießt als griechischer EU-Bürger einen Sonderaufenthaltsschutz. Beide sind Inländer ohne deutschen Paß. Eine Ausweisung ist juristisch fragwürdig und politisch verfehlt. Niemand kann heute sagen, wie die Sozialprognosen der Täter nach ihrer Haftentlassung in mehreren Jahren sein werden. Das wissen auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, und der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl, die jetzt auf eine möglichst rasche Abschiebung drängen.

Wieder einmal tritt die notwendige Frage, wie man durch die Schaffung von Perspektiven der Aggressivität von jungen Menschen entgegenwirken kann, in den Hintergrund. Mit plumpen Law-and-order-Parolen versuchen die Konservativen, eine Niederlage bei der Landtagswahl abzuwenden. Das ist einmal mehr Wasser auf die Mühlen der Neonazis. Auf ein ähnlich entschiedenes Vorgehen der Justiz gegen die braunen Schläger wartet man meist vergebens. Weil sich die nicht abschieben lassen?