Offener Brief wegen der Inhaftierung von türkischen Sozialisten in Konya

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

seit fast einem Monat werden die beiden Studenten Burak Öz und Cagdas Günes in Konya von der Polizei gefangen gehalten. Der Vorwurf lautet auf „Zugehörigkeit zu einer staatsfeindlichen Organisation“. Begründet wird dies mit dem Besitz von Büchern und Postern bekannter Freiheitskämpfer wie dem gerade anlässlich seines 80.Geburtstages wieder weltweit gefeierten 1968 ermordeten Che Guevara oder des türkischen Studentenführers Mahir Cayan.

Die Bilder und Bücher von Che Guevara, Mahir Cayan oder Deniz Gezmis können heute in der Türkei in vielen Buchhandlungen und selbst Kiosken erstanden werden. Es ist absurd, aus ihrem Besitz eine strafbare Handlung zu machen. Den Studenten wird vorgeworfen, der Organisation von Mahir Cayan, der THKP-C beziehungsweise ihrer Nachfolgeorganisation Devrimci Yol anzugehören. Haben Sie, Herr Ministerpräsident, vergessen, dass diese Organisationen nach den Militärputschen 1970 und 1980 blutig zerschlagen wurden und längst nicht mehr existieren? Oder wollen Sie das Ansehen an Mahir, Deniz und die anderen Freiheitskämpfer der 68er Generation, die gegen die Unterordnung der Türkei unter den Imperialismus kämpften, aus der Erinnerung ihres Landes tilgen, weil die von ihnen geführte AKP-Regierung heute die Türkei mehr denn je an USA und EU ausverkauft?

Die beiden gefangenen Studenten Burak Öz und Cagdas Günes gehören der auch im türkischen Parlament mit ihrem Vorsitzenden Ufuk Uras vertretenen Partei der Freiheit und Solidarität ÖDP. Die ÖDP ist ebenso wie meine Partei, DIE LINKE, Mitglied der Partei der Europäischen Linken. Schon von daher betrachte ich staatliche Repression auf Mitglieder der ÖDP auch als einen Angriff auf die gemeinsame Europäische Linke.

Ich fordere Sie auf, die sofortige Freilassung von Burak Öz und Cagdas Günes und die Einstellung des absurden Ermittlungsverfahrens zu veranlassen. Ebenso fordere ich sie auf, alle noch wegen ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit inhaftierten Gewerkschaftsfunktionäre sowie die zahlreichen aufgrund von Meinungsäußerungen inhaftierten Anhänger der Partei für eine Demokratische Gesellschaft DTP frei zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Jelpke