Erklärung: Die Glaubwürdigkeit der LINKEN verteidigen

Am Freitag, den 9. November 2007, hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD das Gesetz zur Neureglung der Telekommunikationsüberwachung (TKÜG) verabschiedet.

Diese Neuregelung ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit, denn sie lässt das Abhören von Telefonaten zwischen Journalisten mit Informanten zu. Es wurde zweierlei Recht für Berufsgeheimnisträger geschaffen. Zwar dürfen Telefonate mit Geistlichen von der Polizei nicht mitgehört werden, dagegen darf die Telekommunikation zwischen Anwälten und ihren Mandanten überwacht werden. Und vor allem führt das TKÜG die Vorratsdatenspeicherung in der BRD ein.
Das ist eine neue Qualität auf dem Weg zum Big-Brother-Staat. Denn erstmals werden private Firmen verpflichtet, die Telekommunikations-Verbindungsdaten von Millionen Bürgerinnen und Bürgern ohne jeden Verdacht einer Straftat oder einer Gefahr „auf Vorrat“ für polizeiliche Zwecke zu speichern. Es ist ein klarer Verfassungsverstoß, die gesamte Telekommunikation aller Bürgerinnen und Bürger zu erfassen. Selbstverständlich hat die Fraktion DIE LINKE im Bundestag dieses hanebüchene Gesetz geschlossen abgelehnt.

DIE LINKE verfolgt im Parlament einen klaren Kurs zum Schutze der Bürgerrechte. Sie leistet entschiedenen Widerstand gegen Schäubles Pläne zur Militarisierung der Innenpolitik, gegen die Relativierung der Unschuldsvermutung durch den „Verfassungsminister“, gegen den Ausbau des Schnüffelstaates bezüglich der Hartz IV-Empfänger wie auch gegen die Rechtlosstellung von Flüchtlingen.
Dieses klare Profil der Partei DIE LINKEN als Anwältin der Bürgerrechte darf nicht getrübt werden durch gegenläufige Entscheidungen auf Länderebene. Mit jedem Zugeständnis, das eine Landtagsfraktion DER LINKEN bei Fragen des Ausbaus des Repressionsapparates macht, wird die bürgerrechtliche Arbeit der Bundestagsfraktion dem Vorwurf der Unglaubwürdigkeit ausgesetzt.

Es darf der Linkspartei nicht passieren, was die FDP laufend in Bundestagsdebatten erlebt. Ihr wird vorgehalten, dass altliberale Innenpolitiker wie Gerhart Rudolf Baum oder Burkhard Hirsch in Karlsruhe gegen heimliche Online-Durchsuchungen klagen, FDP-Innenminister Ingo Wolf aber in NRW als erstem Bundesland genau diese heimliche Online-Durchsuchungen gesetzlich zugelassen hat. Auch die präventive Telefonüberwachung, die von der FDP im Bundestag abgelehnt wird, hat die CDU/FDP-Landesregierung in Niedersachsen eingeführt (und dafür beim Bundesverfassungsgericht eine Niederlage kassiert). Die große Koalition tut sich daher leicht, der FDP in innenpolitischen Debatten mangelnde Glaubwürdigkeit vorzuwerfen.

Die gleiche Gefahr droht der Partei DIE LINKEN, wenn sie in Berlin in der „rot-roten“ Koalition für eine Verschärfung des Polizeigesetzes stimmt. Denn mit der Novellierung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) wäre eine massive Ausweitung der Kameraüberwachung verbunden. Eine solche flächendeckende Videoüberwachung hat DIE LINKE im Bundestag immer abgelehnt. Ein widersprüchliches Verhalten zwischen Bundes- und Landesebene wäre fatal. Die Gesetzesänderung in Berlin sieht die „anlassunabhängige“ Nutzung von Videoaufnahmen privater Betreiber von Großveranstaltungen durch die Polizei zur Einsatzlenkung vor. Damit wird dasselbe Grundprinzip angewandt wie bei der Vorratsdatenspeicherung: Private Daten werden polizeilich ohne konkrete Gefahrenlage nutzbar gemacht. Genau dies ist der Einstieg in immer uferlosere Eingriffe in Bürgerrechte, den eine linke Partei auf keinen Fall mitmachen darf.
Mit dem ASOG sollen „Rechtsgrundlagen für die Erhebung und Untersuchung von DNA-Vergleichsproben vermisster Personen und unbekannter Toter sowie die Standortfeststellung suizidgefährdeter Personen durch die Polizei geschaffen werden“. Das hört sich zunächst plausibel an, bedeutet aber im Klartext: Der SPD/DIE LINKE-Senat schafft damit die Vorraussetzungen für die Handy-Ortung und die vereinfachte Fahndung mittels Gendaten. Beides hat DIE LINKE im Bundestag stets bekämpft.

In Berlin haben die landeseigenen Verkehrsbetriebe selbst bereits einen entscheidenden Schritt für den massenhaften Zugriff der Polizei auf Material der BVG getan, als sie Anfang August 2007 angekündigt haben, das im letzten Jahr gestartete Pilotprojekt von drei videoüberwachten Bahnlinien auf das gesamte U-Bahnnetz auszuweiten. Dies geschah gegen den Widerstand des Datenschutzbeauftragten. Auch die Bundestagsfraktion DIE LINKE akzeptiert solche flächendeckenden Videoüberwachungen aus guten Gründen nicht. Diese klare Linie wird durch die Berliner Landespolitik konterkariert.

Einen solchen Glaubwürdigkeitsverlust in den Augen von BürgerrechtsaktivistInnen und GlobalisierungskritikerInnen hat die LINKE bereits in Mecklenburg-Vorpommern erlebt, als sie 2006 dem verschärften „Sicherheits- und Ordnungsgesetz“ zugestimmt und damit einer ausgedehnten Videoüberwachung, Rasterfahndungen und anderen, präventiven Überwachungsmethoden vor und während des G8-Gipfels den Weg bereitet hat.

DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus sollte dringend ihre Entscheidung überdenken und Abstand nehmen von ihrer Unterstützung der ASOG-Novelle – Im Interesse der Glaubwürdigkeit der Partei DIE LINKE und im Interesse der Bürgerinnen- und Bürgerrechte.

Berlin/Strasbourg, 12. Nov. 2007