Rede im Bundestag: Änderungen am Zuwanderungsgesetz verschärfen die Flüchtlingsabwehr

Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon das vor zwei Jahren in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz wurde seinem Anspruch nicht gerecht. Es blieb ein Gefahrenabwehrrecht, das Zuwanderungsmöglichkeiten eng begrenzte, Integration auf Deutschkenntnisse reduzierte und für Flüchtlinge keine humanitären Verbesserungen brachte. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Bundesregierung das deutsche Zuwanderungsrecht an die aufenthalts- und asylrechtlichen EU-Richtlinien anpassen. Anstatt die Chance zu nutzen, eine umfassende Bleiberechtsregelung zu schaffen, beinhaltet der Gesetzentwurf jedoch im Wesentlichen Verschlechterungen für die Betroffenen. Er ist geprägt vom Geist der Abschottung. Allein die wirtschaftliche Nützlichkeit eines hilfesuchenden Menschen war offenbar das federführende Kriterium bei der Abfassung des Gesetzentwurfes. Ausweisung und Abschiebung sollen erleichtert werden. Das Asylrecht wird weiter reduziert. Entwürdigende Kettenduldungen werden beibehalten, wie wir eben vom Kollegen Veit gehört haben.
Fast 200 000 Menschen leben seit Jahren als sogenannte Geduldete in Deutschland. Herr Schäuble hat ihnen im vergangenen Herbst ein Bleiberecht versprochen. Stattdessen legt er nun ein Mogelpaket vor. Zuerst hat man den Geduldeten ein Arbeitsverbot erteilt. Nun sollen sie abgeschoben werden, wenn sie keine Arbeit haben. Das ist wirklich zynisch und menschenverachtend; denn wer keinen Pass hat, bekommt in Zukunft kein Bleiberecht. Wenn ein einziges Familienmitglied die vorgesehenen Kriterien nicht erfüllt, wird gleich die ganze Familie in Sippenhaft genommen.
Anstatt Flüchtlingen zu helfen, wird ihnen der Flüchtlingsstatus genommen. Zum Beispiel sind 2 Millionen Iraker vor den Folgen des Krieges auf der Flucht. Die Bundesregierung hat durch die Bereitstellung von Logistik eine gewisse Mitschuld daran. In dieser Situation beginnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Widerrufsverfahren gegen irakische Asylberechtigte. Tausende haben in den letzten Jahren ihren Asylstatus verloren. Ihnen drohen nun Kettenduldungen. Daran zeigt sich die inhumane Systematik dieses Flüchtlingsabwehrgesetzes.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Zum Thema Ausweisungen: Es werden neue Ausweisungsgründe eingeführt. Eltern, die ihre Kinder angeblich an der Integration hindern, sollen ausgewiesen werden. Wie wollen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, das eigentlich nachprüfen? Wollen Sie künftig Integrationsspitzel in ausländische Familien einschleusen? Sollen Paragrafen Denunziation und Missbrauch Tür und Tor öffnen? Sie zeigen vor allem eines: das abgrundtiefe Misstrauen der Bundesregierung gegenüber Einwanderern, vor allem gegenüber Menschen aus islamischen Ländern. Das sind meiner Meinung nach Stammtischpopulismen, die in Gesetzesform gegossen wurden.
Mit dem Gesetz hebelt die Bundesregierung das Asylrecht weiter aus. In Zukunft genügt der bloße Verdacht der Einreise über einen sicheren Drittstaat, um Flüchtlinge sofort zurückzuweisen. Rechtsmittel gegen die Rückführung sollen künftig ausgeschlossen werden. Wenn ein Flüchtling nicht sofort abgeschoben werden kann, wird er einfach in den Knast gesteckt. Wer auf dem Luftweg einreist, kann im Asylverfahren das war bislang unmöglich und ist in keinem europäischen Land erlaubt 30 Tage im Flughafentransit festgehalten werden, und zwar ohne richterliche Entscheidung.
Ich möchte die Bundesregierung daran erinnern: Asyl ist ein Menschenrecht und kein Verbrechen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein Verbrechen ist es vielmehr, unschuldige Menschen ins Gefängnis zu werfen, Menschen, die auf der Flucht vor Not und Verfolgung sind. Was die Bundesregierung plant, verstößt massiv gegen den Geist der Genfer Flüchtlingskonvention. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun.
(Beifall bei der LINKEN)
Das gilt auch für den letzten Punkt, den ich ansprechen möchte. Ausländerbehörden können in Zukunft Ausreisepflichtige ohne richterlichen Beschluss einsperren, und zwar ohne Vorwarnung. Zukünftig müssen Geduldete bei jedem Gang zur Ausländerbehörde zittern. Das ist doch wirklich menschenverachtend.
Dieses Gesetz ist ein Flüchtlingsabwehrgesetz, um Menschen ohne deutschen Pass zu schikanieren und abzuschieben. Wer sich einen Funken Menschlichkeit und Rechtsverständnis bewahrt hat, kann diesem Gesetz meiner Meinung nach nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Michael Bürsch (SPD): Na, na!)
Darum rufe ich dazu auf, dass sich alle in den kommenden Wochen an den Protestaktionen der Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen beteiligen.
Die Linkspartei bleibt dabei: Wir brauchen ein Zuwanderungsrecht ohne Rassismus. Wir brauchen ein wirkliches Bleiberecht und gleiche Rechte für alle, die hier leben.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)