Liebe Freundinnen und Freunde,
Genossinnen und Genossen,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen des Deutschen Bundestages,
Wir gedenken heute der unter dem Naziregime ermordeten Reichstagsabgeordneten. 96 kommunistische, sozialdemokratische, christliche und liberale Reichstagsabgeordnete wurden von den deutschen Faschisten inhaftiert, gefoltert und ermordet, in den Tod getrieben oder starben an den Folgen der erlittenen Qualen in KZs und Zuchthäusern.
Die Erinnerung an die Verbrechen der Nazidiktatur und das Gedenken an die Opfer des Faschismus sind eine unverzichtbare Warnung angesichts einer erstarkenden neofaschistischen Bewegung in Deutschland. Doch Mahnungen allein sind nicht genug. Immer mehr Menschen zeigen sich wieder bereit, den rechtsextremen Parteien ihre Stimme zu geben. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Hetze gegen Muslime und andere Minderheiten werden zunehmend salonfähig.
Ein Verbot der neonazistischen NPD und anderer rechtsextremer Organisationen ist daher überfällig. Ein solches Verbot würde den Neonazis ihre fremdenfeindliche und antisemitische Hetze in der Öffentlichkeit erheblich erschweren. Es würde sie von der staatlichen Parteinanzierung abschneiden und von den Möglichkeiten, in Landtagsfraktionen Nazikader zu beschäftigten. Vor allem würde ein Verbot der NPD als wichtigster Kraft im rechtsextremen Lager die demokratische Legitimation nehmen.
Der erste von der Bundesregierung, dem Bundesrat und der Bundestagsmehrheit angestrengte NPD-Verbotsprozess scheiterte im Jahr 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht. Er scheiterte nicht etwa daran, dass der NPD möglicherweise keine verfassungswidrigen Ziele und eine entsprechende Praxis nach zu weisen wäre. Nein, er scheiterte an der Unfähigkeit und der Unwilligkeit der Antragsteller, einen sauberen Prozess zu gewährleisten. Dazu hätten rechtzeitig die Spitzel des Verfassungsschutzes aus den Führungsgremien der NPD abgezogen werden müssen.
So ging die NPD sogar gestärkt aus dem Verbotsverfahren hervor. Die Karlsruher Richter betonten ausdrücklich, dass diese Verfahrenseinstellung kein Persilschein für die NPD sei. Noch immer wäre ein Verbot möglich, wenn zuvor die Spitzel des Verfassungsschutzes abgezogen würden.
Nach dem Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck ein erneutes NPD-Verbotsverfahren in die Diskussion gebracht. Auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Berliner Innensenator Erhard Körting, hält ein Verbot der NPD für die logische Konsequenz aus der Verfassungswidrigkeit dieser Partei. Struck und Körting müssen zeigen, dass die neue NPD-Verbots-Debatte ernst gemeint ist. Denn die Gründe für das Scheitern des ersten Verbotsverfahrens wurden offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen.
Die Fraktion DIE LINKE wird im Bundestag einen Antrag zum Abzug aller V-Leute des Verfassungsschutzes von Bund und Ländern aus der NPD einbringen. Dies ist die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Grundbedingung für die Einleitung eines erneuten Verbotsverfahrens. Außerdem stelle ich fest: die Unterwanderung der NPD durch Verfassungsschutzspitzel hat keine einzige Straftat verhindern können. Einige dieser Spitzel scheinen die Partei sogar gestärkt und radikalisiert zu haben.
Es muss uns klar sein: Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit kann nicht allein durch Verbote gelöst werden. Notwendig ist eine politische Gesamtstrategie, die umfassende Aufklärung über Geschichte, Hintergründe und Ziele des Faschismus beinhaltet. Notwendig sind eine wirkliche Unterstützung von Opfern rechtsextremer Gewalt und die Stärkung der Rechte von Migrantinnen und Migranten. Notwendig ist auch die Förderung demokratischer Jugendarbeit statt der ständigen Bespitzelung und Kriminalisierung aktiver Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Wenn sich Neonazis heute als die Vertreter des „kleinen Mannes und der kleinen Frau“ gegenüber dem globalisierten Kapitalismus präsentieren, müssen wir dieser nationalen und sozialen Demagogie unsere Perspektive einer demokratischen und sozialistischen Alternative entgegen stellen. Erst in einer solchen Gesellschaft wären die Grundlagen gelegt für die Einlösung des Schwurs: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!