Artikel: Terroristen jetzt auf Listen

Die Einführung einer »Antiterrordatei« ist beschlossene Sache: Die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern einigte sich am gestrigen Montag darauf, die gemeinsame Datei von Polizeibehörden und Geheimdiensten einzurichten. Unmittelbar vor dem Treffen hatten die Innenpolitiker der Unionsparteien massive Vorstöße für weitere Gesetzesverschärfungen und Sonderregelungen unternommen.

Die Streitfrage, ob es sich bei der Datei um eine Volltext- oder Indexdatei handeln solle, wurde wie erwartet mit einem Kompromiß gelöst. Dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) zufolge soll die Datei aus zwei Teilen bestehen. In einem engeren Datenbestand werde die Identität von Terrorverdächtigen gespeichert, ein zweiter Teil böte zusätzliche Angaben.

Dabei soll auch die Religionszugehörigkeit erfaßt werden. Um diesen bis zuletzt zwischen Union und SPD umstrittenen Punkt zu entschärfen, hatte sich Beckstein im Vorfeld der Konferenz scheinbar kompromißbereit gezeigt. Im Inforadio Berlin-Brandenburg sagte er am Montag, es sei denkbar, daß bei einem »liberalen, toleranten Moslem die Religionszugehörigkeit nicht in die Datei aufgenommen wird, bei anderen dagegen schon«. Daß »liberale, tolerante« Moslems vielleicht gar nicht als Terrorverdächtige geführt werden müßten, kam Beckstein nicht in den Sinn. Die praktische Umsetzung eines solchen »Moslem-Tests« würde jedenfalls weitere Planstellen beim Verfassungsschutz erfordern. Und tatsächlich will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Etat des Inlandsgeheimdienstes um 50 Millionen Euro aufstocken, wie das Nachrichtenmagazin Focus am Montag meldete.

Den Preis für den absurdesten Vorstoß hat der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (ebenfalls CDU) abgeräumt. In Bild am Sonntag forderte er am Wochenende, Migranten quasi an die Leine zu legen: »Ich schlage elektronische Fußfesseln für gefährliche Ausländer vor, die nicht abgeschoben werden können.« Außerdem »brauchen wir eine vorbeugende Telefonüberwachung bei Terrorismusverdacht«. Und selbstverständlich »müssen wir die Videoüberwachung erheblich ausweiten, auch auf belebte Plätze in den Innenstädten«. Im Klartext bedeutet das, die Unschuldsvermutung bei Migranten nicht mehr gelten zu lassen und den Rechtsstaat auf den Kopf zu stellen: Fußfesseln sind ein Mittel des Strafvollzugs und können nur bei Straftätern angewandt werden.

Das wilde Anrennen der Unionspolitiker gegen die Grundwerte der Verfassung bot den Sozialdemokraten Gelegenheit, sich bedächtig zu zeigen. Der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner warnte vor einem »Wettbewerb um die härtesten Vorschläge«. Widerstand gegen die Aushöhlung des Grundgesetzes wollen die Sozialdemokraten aber nicht leisten, vielmehr geben sie sich mit dem »kleineren Übel« zufrieden. Denn verfassungsrechtlich problematisch ist auch die jetzt beschlossene Mischform einer erweiterten Indexdatei, weil sie eine intensive Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten nach sich zieht. Das weiß auch Innenminister Schäuble, der in der Super Illu das Bundesverfassungsgericht angriff, weil es mit angeblich übertriebener Verfassungstreue »die Prävention von terroristischen Anschlägen sehr erschwert« habe.

Die Innenminister beschlossen ferner, die Videoüberwachung auf Bahnhöfen sowie Flug- und Seehäfen auszubauen. Keine Einigkeit erzielten sie in ihren dreistündigen Beratungen allerdings über die Installation Videokameras auf öffentlichen Plätzen.