Das Treffen soll der Auftakt für einen auf zwei bis drei Jahre angelegten Dialog zwischen dem Staat und Vertretern der muslimischen Bevölkerung in der BRD sein. Schäuble gab an, er wolle einen »breit angelegten Konsens über die Einhaltung gesellschafts- und religionspolitischer Grundsätze« erreichen. Dabei stehe »insbesondere die Bewahrung und die verbindliche Beachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Vordergrund«, so der Minister.
Am Dienstag forderte Schäuble die Muslime zur Entwicklung repräsentativer Strukturen auf. Wenn die Muslime vom Staat gleichberechtigt behandelt werden wollten, müßten sie auch die organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen. Als Ziele nannte der Minister die Einführung von Islamunterricht an staatlichen Schulen, die Ausbildung von Imamen in Deutschland und den Gebrauch der deutschen Sprache bei Predigten.
Schon bei der Auswahl der Konferenzteilnehmer ließ Schäuble jedoch ein klares Konzept vermissen. Mitglieder der Bundestagsfraktionen wurden überhaupt nicht einbezogen. 15 der 30 ständigen Teilnehmer sind Vertreter von Bundesregierung, Länderkabinetten und Kommunen, was eine klare Bevorzugung der Exekutive gegenüber dem Parlament erkennen läßt. Noch willkürlicher erscheint die Auswahl der muslimischen Repräsentanten. Eingeladen wurden Vertreter von fünf Dachorganisationen: des Zentralrats der Muslime, des Islamrats, des türkischen Dachverbandes DITIB, der Alevitischen Gemeinde und des Verbands der islamischen Kulturzentren. Zudem wurden zehn Einzelpersonen hinzugezogen, unter ihnen die Anwältin Seyran Ates, die Autorin Necla Kelek und der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat. Das BMI nannte diese Personen »Vertreter eines modernen, säkularen Islam«.
Diese Zusammensetzung wurde im Vorfeld heftig kritisiert. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, warf Schäuble vor, muslimische Verbände gegen Einzelne auszuspielen. Er warnte den Staat zugleich davor, sich zu sehr in religiöse Fragen einzumischen. Mögliche Konfliktthemen sind auch die Beobachtung der türkischen Organisation »Milli Görüs«, deren Vertreter indirekt an der Konferenz beteiligt sind, durch den Verfassungsschutz und die Kriterien für die Anerkennung einer Gemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Nach Auffassung der integrationspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen spricht nur dann nichts gegen eine solche Konferenz, wenn sie mit Aufklärungsarbeit betraut werde und damit dem Abbau von Vorurteilen diene. Es bestehe aber die Gefahr, daß die Integration von Migranten »von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen isoliert und auf die Frage der Kultur/Religion reduziert wird«. Tatsächlich ist den Äußerungen Schäubles zu entnehmen, daß er erneut Integrationsprobleme mit islamischem Terrorismus vermengt. Seine Idee, Islamunterricht an den Schulen einzuführen, steht im Widerspruch zur Trennung von Religion und Staat. Auch, daß es einen Ansprechpartner, der alle Muslime vertreten kann, nicht gibt, dürfte dem Bundesinnenminister bekannt sein. Anscheinend soll mit der Konferenz versucht werden, einige vom Verfassungsschutz beobachtete Verbände ins Boot zu holen und somit besser kontrollierbar zu machen.
Im Sommer zelebrierte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen sogenannten Integrationsgipfel. Dieser erwies sich als bloße Show. Vieles deutet darauf hin, daß auch die Islamkonferenz nur eine Schaufensterveranstaltung wird.
Erschienen in junge Welt, 27. 9. 2006