Artikel: Libanon-Hilfe auf deutsch

Bei der gestrigen Tagung des Rates der Innen- und Justizminister der Europäischen Union (EU) in Brüssel hat die Bundesregierung zugesagt, die europäische Grenzagentur Frontex mit Experten der Bundespolizei zu unterstützen. Frontex soll gemeinsame Einsätze der EU-Staaten gegen »illegale Migration« und Flüchtlingsströme im Mittelmeerraum koordinieren.

Der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier (CDU) vom Bundesinnenministerium betonte, die BRD wolle die von Flüchtlingen stark betroffenen Kanarischen Inseln und Malta unterstützen. Bezüglich Zypern erklärte er, die Flüchtlinge aus dem Libanon müßten »möglichst nahe ihrer Heimat versorgt werden, um eine spätere Heimkehr zu erleichtern«. Damit bezog sich Altmaier auf die schon vom ehemaligen Innenminister Otto Schily (SPD) verfochtene Idee, Flüchtlinge nahe den Krisenregionen festzuhalten und ihnen den Zugang nach Mitteleuropa zu verwehren. Europa habe beim Kosovo-Krieg »gute Erfahrungen« mit einem solchen Konzept gemacht, sagte Altmeier.

Die Bundesregierung will verhindern, daß Flüchtlinge aus dem Libanon das EU-Festland betreten und spricht sich gegen die Verteilung von Libanon-Flüchtlingen aus Nicht-EU-Staaten auf Europa aus. Altmaier stellte dafür finanzielle Unterstützung für Zypern in Aussicht. Die Regierung Zyperns schätze, daß durch die vor israelischem Beschuß fliehenden Menschen Kosten entstehen würden, die etwa ein Prozent des Bruttosozialproduktes ausmachen könnten. Altmaier erklärte, man könne Zypern mit der Entsendung von Experten helfen. Ein kleines Land wie Zypern ist aber mit der plötzlichen Ankunft von mehreren zehntausend Flüchtlingen (Stand von Montag: fast 40000) überfordert.

Mit einem dramatischen Appell haben die südlichen EU-Staaten wirksame Hilfe wegen des wachsenden Flüchtlingsstroms im Mittelmeer und vor den Kanaren gefordert. In Brüssel sagte der maltesische Ressortchef Tonio Borg am Montag: »Hunderte ertrinken praktisch vor unserer Haustür.« Ständig würden Leichen eingesammelt. Doch das Problem sei größer, »als würden da ein paar tote Fische angeschwemmt«, fügte Borg hinzu. »Das ist zu einer echten Krise geworden im Mittelmeerraum«. Die öffentliche Meinung reagiere mit Entsetzen, betonte der spanische Staatssekretär Antonio Camacho Vizcaino: »Unsere Bürger können nicht akzeptieren, daß sich unsere Meere zu Massengräbern entwickeln.« Der italienische Innenminister Giuliano Amato sieht dabei auch die nördlichen EU-Staaten in der Pflicht: »Das Problem ist ein Problem der Europäischen Union insgesamt.« Der Innenminister Maltas sprach von 1200 Ankömmlingen auf der Insel in den ersten sechs Monaten 2006. »Wenn Sie das auf die Bevölkerung umrechnen, dann ist das, als ob mehr als 100 000 nach Deutschland gelangen«, sagte Borg. Genau deshalb ist die Bundesregierung immer schnell dabei, wenn es darum geht, Polizeikorps aufzustellen, um Flüchtlinge abzuwehren. Aber wenn es darum geht, diesen zu helfen, stellt sie sich stur. Altmeier hatte vor dem Treffen einen umfassenden Abschottungsplan der 25 EU-Staaten zur Einwanderungspolitik angekündigt. Dazu gehörten »Solidarität« und »Hilfe« für die am meisten betroffenen Länder ebenso wie neue Maßnahmen auf nationaler Ebene, sagte er.

Aus: junge Welt, 25. 7. 2006