Artikel: Rausschmeißer in trauter Einigkeit

Die Debatte in der BRD über »Gesprächsleitfaden«, Einbürgerungstests und Fragebögen hat nun auch die Ebene der Europäischen Union (EU) erreicht. Die Innenminister von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen und Spanien sprachen sich am Donnerstag nach ihrer zweitägigen Konferenz im Ostseebad Heiligendamm für die Einführung sogenannter Integrationsverträge aus. Darin sollen laut Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Rechte und Pflichten von Zuwanderern festgeschrieben werden. Das vorgesehene Regelwerk müsse am Anfang der Integration stehen, Einbürgerungen dagegen »am Ende dieses Prozesses«, so Schäuble.

Die Minister vereinbarten einen intensiven Austausch über Art und Form von Testverfahren und beschlossen die Einrichtung einer Expertengruppe, die »die Möglichkeit eines Integrationsvertrags mit Zuwanderern oder vergleichbare Instrumentarien prüfen und deren wesentliche Inhalte ausarbeiten soll«.
Einwandererbekämpfung
Mit anderen Worten: Die Innenminister von sechs großen EU-Mitgliedsstaaten eröffnen eine neue Runde der Abschottungspolitik, denn der Sinn der genannten Neuerung liegt ausschließlich darin, den Zugang zur Einbürgerung zu erschweren. Damit setzt die EU die ausländerfeindliche Linie fort, mit der konservative deutsche Politiker seit Wochen in den Landtagswahlkämpfen ihre bürgerliche Klientel und den rechten Rand bedienen. Zuletzt hat der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber ein »Interview« nach US-amerikanischem Vorbild mit anschließender Prüfung für Einbürgerungswillige verlangt. Der bayrische Ministerpräsident rechnet dabei in naher Zukunft auch mit der Zustimmung der SPD. »Ich bin in dieser Frage nicht so pessimistisch«, sagte er am Mittwoch am Rande eines Treffens von Vorsitzenden der konservativen und christlich orientierten Parteien Europas in Brüssel. Diese Erwartung erscheint realistisch. Schließlich war es die SPD mit ihrem Innenminister Otto Schily (SPD), die gemeinsam mit den Grünen im Jahre 2001 bereits erhebliche Verschärfungen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts durchgesetzt hat, etwa die Regelanfrage beim Verfassungsschutz für Einbürgerungswillige.

Die EU-Innenminister beschlossen in Heiligendamm ferner, »die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der illegalen Migration zu intensivieren und die nationalen Zentren zu verknüpfen«. Experten aus allen betroffenen Behörden (Grenzpolizei, Polizei, Ausländerbehörden) sollen den Informationsaustausch sicherstellen. Bei der »Bekämpfung des Menschenschmuggels, des Menschenhandels oder damit verbundener Kriminalität« ist geplant, gemeinsame Ermittlungsteams mit Unterstützung von Europol einzusetzen. Zur wirksamen Abschottung gegen Migranten soll eine gemeinsame Liste »sicherer Herkunftsländer« erarbeitet werden. Mit der Durchführung von »Sammelrückführungen« haben die vertretenen Staaten nach Ansicht ihrer Innenminister »ein deutliches Signal gegen die illegale Migration gesetzt«. In einem gemeinsamen Schreiben an EU-Vizepräsident Franco Frattini unterstützten sie den Abschluß von Rückübernahmeabkommen mit Herkunfts- und Transitländern vor allem im Mittelmeerraum und in Osteuropa. Unverhohlen drohten sie mit einer »gemeinsamen Strategie gegenüber den Ländern, die nach wie vor nicht hinreichend zur Zusammenarbeit bereit sind«.
»Antiterror«-Maßnahmen
Die Minister treten zudem dafür ein, das Visa-Informationssystem (VIS) einschließlich Einladerdatei im VIS zügig einzurichten und einen polizeilichen Zugriff auf das europäische Datensystem zum Abgleich von Fingerabdrücken EURODAC sowie einen uneingeschränkten Zugriff der für innere Sicherheit zuständigen Behörden auf das VIS zu ermöglichen. Der Einsatz von Biometrieverfahren in Auslandsvertretungen und an ausgewählten Grenzübergangsstellen im Vorgriff auf das VIS wurde ausdrücklich begrüßt.

Um eine »greifbare Verbesserung der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit« insbesondere durch das Schengener Abkommen zu erreichen, streben die Minister eine Überarbeitung anhand der Standards des Vertrages von Prüm an. Hierzu gehören beispielsweise die Möglichkeiten, bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen Unterstützung aus anderen Mitgliedstaaten zur Hilfeleistung anzufordern. Zur Bekämpfung des »internationalen Terrorismus« soll der gegenseitige systematische Austausch von Informationen zu Personen, die »aufgrund von Aktivitäten, die den Haß zwischen Rassen oder Religionen schüren, von den G-6-Staaten ausgewiesen wurden«, intensiviert werden.

Aus: junge welt vom 25. März 2006