Artikel: Grüne Aufklärer

Mit atemberaubender Geschwindigkeit haben die Grünen ihren erst am Dienstag der letzten Woche gefaßten Beschluß gekippt, einen BND- und CIA-Untersuchungsausschuß (UA) im Bundestag zu beantragen. Die Bundesregierung hatte am Montag nachmittag behauptet, sie werde über den Einsatz von zwei deutschen Geheimdienstagenten während des Irak-Kriegs in Bagdad umfassend informieren. Das reichte zum Umfallen der grünen Spitze.

Fraktionschefin Renate Künast erklärte, es mache keinen Sinn, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, wenn zeitgleich die offenen Fragen beantwortet würden. Der Haken an der Sache ist, daß sich die Bundesregierung nur im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) äußern will, dessen Mitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Die Sitzungen des Ausschusses wären hingegen grundsätzlich öffentlich. Außerdem hat nur ein UA das Recht, selber Zeugen zu laden und am Ende das Ergebnis der Beweisaufnahme auch in einem Minderheitenvotum der Öffentlichkeit mitzuteilen. Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte in der Berliner Zeitung (Dienstagausgabe) die Verzögerungstaktik der Grünen: »Das ist eine Beerdigung zweiter Klasse und der billigsten Art.«

Zehn Tage zuvor hatten sich die Grünen noch feiern lassen. Zum Beispel in der FAZ-Netzeitung: »Die Grünen stellen sich an die Spitze der Aufklärung«. Da hatte Renate Künast noch erklärt, wer an einem Krieg nicht teilnehme, dürfe auch nicht bei der Auswahl von Zielen helfen. Das wäre »eine Art von Teilhabe«. Die »ungeheuerlichen Vorwürfe« müßten »ordentlich und systematisch« aufgeklärt werden, forderte Künast. Dies sei mit »konventionellen Mitteln« nicht zu leisten. Fraktionschef Fritz Kuhn hatte erklärt, die Grünen seien mit ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuß »klar in der Opposition« angekommen.

Inzwischen ist wohl mit Rücksicht auf den früheren grünen Außenminister Joseph Fischer längst die Kehrtwende eingeleitet. Am Montag meldete Focus, Fischer habe sich nach dem Krieg in einem längeren Gespräch in Amman von den beiden BND-Agenten über den Irak-Einsatz berichten lassen. Als der BND-Einsatz bekannt wurde, tat er noch so, als habe er von dem Einsatz nie gehört. Grund für den Rückzieher ist die Furcht vor der Aufdeckung ähnlicher Glaubwürdigkeitsdefizite der SPD/Grünen-Außenpolitik. FDP-Chef Guido Westerwelle höhnte daher am Montag, den Grünen gehe es mehr um die »Denkmalpflege Fischers« als um Aufklärung.

Die Fraktion Die Linke und die FDP haben einen Gruppenantrag für einen Untersuchungsausschuß auf den Weg gebracht, den theoretisch jedes Mitglied des Bundestags unterschreiben könnte, um das notwendige Quorum von 25 Prozent der Abgeordneten zu erreichen. Auch die Grünen sind eingeladen. Immerhin regt sich in der Partei Kritik an der Führung. »Nur mit einem Untersuchungsausschuß kann man völlige Klarheit über die Aktivitäten der CIA in Europa bekommen«, erklärte die Europaabgeordnete Angelika Beer der Berliner Zeitung. Und Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele fragte sich laut Stern.de nach dem Aktenstudium, ob die BND-Männer nicht doch »targets«, also Bombenziele, ausgekundschaftet hätten.

Es handelt sich hierbei um eine weitere grüne Fehlleistung in einer langen Reihe. Nicht nur mit den Militäreinsätzen der Bundeswehr im Ausland ist grüne Programmatik verraten worden, sondern auch in der Migrationspolitik. Das Zuwanderungsgesetz ist ein Regelwerk zur Verhinderung von Migration und Flüchtlingsschutz. Die Hürden für Einwanderer wurden mit diesem Gesetz so hoch getürmt, daß sogar aus der Wirtschaft Klagen über die geringen Zuzugszahlen laut werden. Die Asylbewilligungen sinken weiter. Noch unter der SPD/Grünen-Bundesregierung hat das Bundesamt für Migration in Nürnberg begonnen, in großem Umfang und bis zu zehn Jahre rückwirkend Asylanerkennungen zu widerrufen. Über diese von ihnen mitverursachten Politik versuchen die Grünen jetzt im Bundestag hinwegzutäuschen, indem sie Anträge zur Abschaffung von Kettenduldungen stellen. Etwas, was sie in ihrer siebenjährigen Regierungszeit nicht zuwege brachten. Das ist ebenso unglaubwürdig wie der Antrag gegen die Gesinnungsschnüffelei in Baden-Württemberg. Der absurde Fragebogen, mit dem bei Einbürgerungen unter anderem die Einstellung der Bewerber zur Homosexualität oder zur Führungsfähigkeit von Frauen sowie die politische Gesinnung überprüft werden soll, wurde zwar von den Grünen kritisiert. Die Fraktion ließ sich aber im Bundestagsplenum unnötig auf eine sofortige Abstimmung und damit auf die Ablehnung ein, obwohl selbst die SPD eine Ausschußberatung befürwortet hatte.

Wie wenig die als Anti-AKW-Partei gegründeten Grünen den Ausstieg aus der Kernenergie gesichert haben, beweist die aktuelle Debatte, in der Bundeswirtschaftsminister Michel Glos (CSU) ungeniert längere Laufzeiten für die AKW propagiert. Auch die ersten Forderungen nach dem Neubau von Kernkraftwerken werden laut. Der Ausstieg aus der Atompolitik erweist sich als brüchig. Mit der Durchleuchtung der Geheimdienstaktivitäten im Irak besteht für die Grünen die Gefahr, daß ein weiteres Kernstück ihrer Politik, ihre angebliche Distanz zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Bush-Administration, endgültig als Scheinheiligkeit aufgedeckt wird.

Aus: junge welt vom 25. Januar 2006