Ohnmacht und Wut

Debatte über Gewalt beim G-20-Gipfel

Gastkommentar von Ulla Jelpke in der jungen Welt vom 11.Juli 2017

Erwartungsgemäß endete der Hamburger G-20-Gipfel ergebnislos. Weder wurden Fortschritte für den Klimaschutz erzielt noch bei der Beendigung des Syrien-Krieges oder im Umgang mit Flüchtlingen. Dass 76.000 Demonstranten friedlich für »grenzenlose Solidarität« auf die Straße gingen, fand nur kurz Erwähnung in den Medien. Statt dessen dreht sich die Debatte fast ausschließlich um linke Gewalt, verbrannte Autos und geplünderte Supermärkte.Keine Frage: Im Schanzenviertel gab es viel sinnlose Gewalt, die nichts mit politischen Protesten zu tun hatte, sondern von betrunkenen Jungmachos und »erlebnisorientiertem« Partyvolk als Selbstzweck inszeniert wurde. Der Sprecher des autonomen Zentrums Rote Flora hatte dazu das Nötige gesagt. Die Polizei schaute dem Treiben übrigens über Stunden hinweg weitgehend tatenlos zu, offenbar froh darüber, dass sich die Auseinandersetzungen auf das linke Stadtviertel konzentrierten, während die G-20-Regierungschefs störungsfrei in ihre Hotels gebracht werden konnten. Der Schutz der Gipfelteilnehmer habe Priorität vor dem Schutz der Bürger gehabt, bestätigte der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Jan Reinecke, bei »Anne Will«.

Es war kein Gewaltausbruch aus dem Nichts. Schon die Durchführung eines G-20-Gipfels in einer Stadt wie Hamburg wurde weit über die radikale Linke hinaus als arrogante Machtdemonstration verstanden. Doch mit großflächigen Sperrgebieten, der Verhinderung von Protestcamps und dem Sich-Hinwegsetzen über Gerichtsurteile signalisierte die Polizeiführung um Hardliner Hartmut Dudde, dass Protest generell unerwünscht war. Die genehmigte und bis dahin friedliche Auftaktdemonstration am Donnerstag abend wurde durch ein martialisches Aufgebot, mit Wasserwerfern und Räumpanzern, aufgelöst. Teilnehmer, aber auch Unbeteiligte wurden, wie ich selbst gesehen habe, zum Ziel schwerer Polizeiübergriffe. Dass die Gewalt zuerst von der Polizei ausging, erkannten selbst Vertreter bürgerlicher Medien, die ebenfalls Behinderungen und Übergriffen durch die Polizei ausgesetzt waren. Am Freitag wurden ebenfalls selbst kleine Ansammlungen von Protestierern oder feiernden Menschen von der Straße gejagt. Ein schwarzer Block aus Tausenden vermummten, behelmten und knüppeltragenden Einsatzkräften erstickte nahezu jeglichen demokratischen Protest. Bei vielen G-20-Gegnern erzeugte dies ein Ohnmachtsgefühl, bei einigen auch Wut, die sich dann entlud.

Natürlich ist die Polizei nicht für die Handlungen von Gewalttätern verantwortlich. Aber deren Führung und die hinter ihr stehenden Politiker haben die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Wie schrieb doch der Dichter Bert Brecht: »Der reißende Strom wird gewalttätig genannt. Aber das Flussbett, das ihn einengt, nennt keiner gewalttätig.« Dem ist nichts hinzuzufügen.