Rede: Einbürgerungen müssen erleichtert werden

Rede zu TOP 9 der  191. Sitzung des Deutschen Bundestages am Freitag, dem 23. September 20169. a) Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Britische Staatsangehörige rasch und unkompliziert einbürgern Drucksache 18/9669 b) Erste Beratung des von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung der Einbürgerung und zur Ermöglichung der mehrfachen Staatsangehörigkeit Drucksache 18/5631

 

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht sollte man für die Öffentlichkeit noch einmal festhalten: Wir reden hier jetzt nicht über Geflüchtete, die im vergangenen oder im vorletzten Jahr gekommen sind, sondern wir reden hier über Menschen, die in diesem Land zum Teil viele Jahre leben und arbeiten und endlich das Recht haben müssen, eingebürgert zu werden, damit sie in dieser Gesellschaft wirklich gleichgestellt sind. Darum geht es.

(Beifall bei der LINKEN)

Man muss einfach noch einmal festhalten, dass im vergangenen Jahrzehnt gerade einmal 2 Prozent der hier in Deutschland lebenden Migranten einen Antrag auf Einbürgerung gestellt haben. Diese blamabel geringe Quote kann und darf nicht, Herr Mayer, als Zeichen mangelnder Integrationsbereitschaft gewertet werden, sondern sie ist vielmehr die Folge – das gilt auch im Vergleich mit anderen EU-Staaten – besonders restriktiver Einbürgerungskriterien, hoher bürokratischer und vor allen Dingen auch finanzieller Hürden. Dass daran bisher nichts geändert wurde, sind vor allen Dingen Ihre Fraktion, die Union und die Regierung schuld. Das ist wirklich ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will einfach einmal ein paar Unterschiede zu anderen EU-Staaten nennen. Im Unterschied zur Bundesrepublik akzeptieren 12 EU-Staaten grundsätzlich die Mehrstaatlichkeit. 11 verlangen keinen Nachweis auf eigenständige Lebensunterhaltssicherung. In 15 Staaten beträgt die Mindestaufenthaltsdauer fünf Jahre oder weniger. In 16 EU-Staaten gibt es keinen Einbürgerungstest. 7 verzichten auf Einbürgerungsgebühren oder verlangen nur einen symbolischen Beitrag. Die Kollegen von der Union sollten angesichts solcher Vergleichszahlen wirklich einmal einfach in sich gehen

(Beifall der Abg. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und nicht immer auf angeblich einbürgerungsunwillige Migranten zeigen. Sie sollten sich vielmehr an ihren eigenen Kopf fassen und fragen, wie so etwas zustande kommt.

Meine Damen und Herren, von den Betroffenen wird immer wieder gesagt, dass für sie die Kosten für die Einbürgerung ein großes Hemmnis sind. Diese betragen im Schnitt 500 Euro einschließlich der Gebühren für Übersetzungen, Urkunden usw., die sie aus den Herkunftsländern beschaffen müssen. Das ist zum Beispiel für eine Familie nicht wenig. Die Senkung der Einbürgerungsgebühren wäre wirklich ein symbolisches Zeichen; so könnte man Familien, die wenig Geld haben, hier die Einbürgerung ermöglichen.

Zwei Drittel derjenigen, die keinen Einbürgerungsantrag stellen, haben dafür zum Beispiel den Grund angegeben, dass sie ihre alte Staatsbürgerschaft nicht verlieren wollen, aber auch die deutsche gerne hätten.

(Marian Wendt (CDU/CSU): Ich kann auch nicht zwei Frauen haben! – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf des Abg. Marian Wendt (CDU/CSU): Mehrfachehen sind verboten!)

– Herr Wendt, ich habe Ihren Zwischenruf leider nicht verstanden.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erzgebirgischer Wahnsinn!)

Das hat übrigens eine Studie des BAMF ergeben. Diese Entscheidung ist in der Regel eben keine Frage der Loyalität zu diesem oder jenem Staat. Vielmehr gibt es ganz pragmatische Hintergründe dafür, warum Menschen ihre alte Herkunftsstaatlichkeit behalten wollen. Es geht zum Beispiel um Rentenansprüche, um Vermögensansprüche. Es handelt sich also um ganz einfache Gründe. Diese Realität will die Union hier einfach nicht akzeptieren. Man muss wirklich sagen: Anstatt sich ständig mit Argumenten aus der Mottenkiste gegen die generelle Möglichkeit der Mehrstaatlichkeit zu sträuben, sollten Sie wirklich einfach einmal ein modernes Einbürgerungsrecht schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Grünen haben anlässlich ihres Antrags zur Einbürgerung britischer Staatsbürger darauf hingewiesen, dass das geltende Recht Handlungsmöglichkeiten für eine erleichterte Einbürgerung bietet. Das ist richtig. Die Linke hat bereits seit 2013 hier im Bundestag immer wieder gefordert, dass solche vorhandenen Handlungsspielräume konsequent umgesetzt werden. Aber auch dazu braucht es einfach den politischen Willen der Verantwortlichen in der Bundesregierung und in den entsprechenden Fraktionen. Dafür will ich gerne noch zwei Beispiele bringen.

Hier geborene Flüchtlingskinder könnten im Regelfall ab dem dritten Lebensjahr eingebürgert werden, um ihnen ein gleichberechtigtes Leben, beispielsweise an den Schulen, in den Kitas usw., zu ermöglichen. Das schreibt im Übrigen auch die UN-Kinderrechtskonvention vor. Aber die Bundesregierung hat sich in diesem Punkt schon immer über die UN-Kinderrechtskonvention hinweggesetzt, und es interessiert sie überhaupt nicht, welche Rechte die Kinder haben. Gerade hier fordere ich Sie auf, endlich etwas zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Wichtig wäre es beispielsweise auch, Menschen, die Sozialhilfeempfänger sind, hier aber seit vielen Jahren leben, großzügiger einzubürgern. Ich halte es wirklich für einen Skandal, dass man im Grunde genommen die Erlangung gleicher Rechte durch Einbürgerung vom Einkommen abhängig macht und die soziale Lage nicht berücksichtigt. Das kann einfach nicht gehen.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

Ja, ich komme zu meinem letzten Satz. – Ich möchte abschließend einfach noch einmal sagen: Ein deutscher Pass ist weder ein Integrations- noch ein Demokratiezeugnis. Es geht hier schlicht um eine demokratische Selbstverständlichkeit. Deswegen: Erleichtern Sie endlich die Einbürgerung für Menschen, die hier seit vielen Jahren leben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)